176 Georg Cohn.
8 14. Die Notanzeige? (Notifikation).
Notifikation ist die schriftliche Benachrichtigung des regreßpflichtigen Vormanns von der
Nichtzahlung des Wechsels. Im englisch-amerikanischen Recht ist sie Regreßbedingung, und zwar
hat sie vom Regreßberechtigten binnen einer angemessenen Frist sämtlichen Vormännern gegen-
über zu erfolgen. In Deutschland, dessen System Italien und Skandinavien, aber nicht die Schweiz
folgt, ist sie nicht für die ganze Regreßforderung, sondern nur für Zinsen, Provision und Kosten,
also für einen relativ recht unerheblichen Teil derselben, zur Bedingung gemacht; abgesehen hiervon
begründet ihre Unterlassung, als Verletzung der sog. Diligenzpflicht des Inhabers, (vgl.
oben §& 12) eine positive Verpflichtung zum Schadensersatz; nur letztere Folge bestimmt der
Haager Entw. A. 55.
Die Anzeige ist innerhalb zweier Tage nach Protesterhebung resp. nach dem Empfang der
Benachrichtigung vom Protestanten resp. jedem Benachrichtigten an den unmittelbaren Vormann
zu richten; fehlt in einem Indossament die Ortsangabe, so ist der nächste Vormann, bei dem
ein Ort im Wechsel angegeben ist, zu benachrichtigen. Nach dem Haager Entw. 55 Abf. 3
hat der Inhaber auch noch eine Notifikationspflicht binnen 4 Tagen unmittelbar gegenüber
dem Aussteller. Protesterlaß befreit nicht von der Notifikationspflicht. (A. 45 u. 46.) Die
Absendung erfolgt auf Gefahr des Adressaten. Es wird vermutet, daß ein an dem fraglichen
Tage an den zu Benachrichtigenden abgesandter Brief die Notanzeige enthalten habe.
Rußland (A. 72) verpflichtet nicht den Inhaber, aber den protestierenden Notar, allen.
Wechselschuldnern, deren Adresse ihm bekannt wird, eine schriftliche Mitteilung zu übersenden;
die franz. Novelle v. 24. Dez. 1906 verpflichtet bei Schadensersatz den Protestbeamten, den
Aussteller von den Gründen der Zahlungsweigerung in Kenntnis zu setzen; auch in Spanien
und einigen amerikanischen Republiken besorgt der Notar die Notifikation; das Haager Abkommen
Art. 10 behält die Benachrichtigungspflicht des Protestbeamten der Bestimmung der Vertrags-
staaten vor. Das Schweizer Gesetz hat das „lahme'“ 2 Institut ganz übergangen.
§ 15. Die Intervention 7.
I. Die Intervention oder Honorierung bezweckt, falls der Wechsel durch
Nichtzahlung oder Nichtakzept oder Unsicherheit des Akzeptanten „Not"“ leidet, den Regreß
abzuschneiden oder abzukürzen. Dies geschieht durch Eintritt einer Person (des Honoranten
oder Intewenienten) als subsidiärer Zahler oder (bei der Tratte) als subsidiärer Akzeptant zu-
gunsten eines Regreßschuldners, sei es zugunsten eines Indossanten (per onor di giro), sei es
— was im Zweifel anzunehmen — des Trassanten (per onor di lettera). Zu Ehren des
Trassaten kann nicht interveniert werden, da er kein Regreßschuldner ist. Derjenige, zu dessen
„Ehren“, d. h. in dessen Interesse die subsidiäre Annahme (Ehrenannahme)gz oder Zahlung
(Ehrenzahlung) erfolgt, heißt der Honorat.
Beide Arten der Intewention erfolgen entweder ohne einen wechselmäßigen Auftrag
(reine oder ungerufene Intewention, Intewention im engeren Sinne) oder zufolge
eines für den Fall der Not im Wechsel selbst stehenden Auftrags eines Wechselschuldners.
Dieser Auftrag heißt Notadresse (auch wohl Hilfs- oder Nebenadresse), der Be-
auftragte Notadressat („e besoin“), der Auftraggeber Notadressant. Die Not-
adresse lautet gewöhnlich „im Falle bei“ oder „nötigenfalls bei“ (au besoin, à désaut). Sie steht
meist als Zusatz unter oder neben der Adresse, kann aber auch auf Kopie oder Allonge stehen.
Notadressant kann nur ein Regreßschuldner sein, im Zweifel der Trassant. Notadressat kann
jede beliebige Person sein, auch der Trassant, ein Indossant, selbst — was streitig — der
Trassat. Die Notadresse muß nach deutschem Recht, um wirksam zu sein, auf den Zahlungs-
1 Meyer I S. 367 ff. Trumpler S. 111 ff.
Val. Z VerglR. IV S. 104 ff. Für die Notifikation dagegen Stranz, Festgabe S. 356
und die Haager Konferenz.
* Uber die fremden Rechte vgl. Meyer I S. 379 ff. Trumpler S. 121 ff. — Ugl.
Haager Entw. Art. 31—34 (Ehrenannahme) u. Art. 68—73 (Ehrenzahlung).