Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

182 Georg Cohn. 
Schon nach Einleitung des Aufgebotsverfahrens kann der Gläubiger bei oder nach Verfall 
Deposition und, wenn er bis zur Amortisation des Wechsels Sicherheit bestellt, sogar Zahlung 
der Wechselsumme vom Akzeptanten und Eigenwechselaussteller (nicht aber von den Vor- 
männern) fordern. 
Durch das Ausschlußurteil wird der aufgebotene Wechselbrief ungültig, selbst wenn er sich 
in den Händen eines gutgläubigen, legitimierten Inhabers befindet, der ihn ohne Kenntnis 
der Kraftloserklärung erworben hat. Anderseits wird die Legitimation des Amortisations- 
werbers (Verlierers) mit dem Ausschlußurteil unanfechtbar; der verlorene Wechselbrief wird 
als fortexistierend fingiert; das Ausschlußurteil ersetzt ihn. 
Der Verlierer kann daher gegen den Akzeptanten, den Eigenwechselaussteller, den Avalisten 
und — was freilich sehr bestritten — auch gegen die Regreßschuldner auf Grund des Ausschluß- 
urteils die Rechte aus dem Wechsel geltendmachen. Er kann diese Rechte auch weiterzedieren: 
eine weitere Indossierung ist dagegen unstatthaft. 
Das englische, französische und russische Recht kennen die Wechselamortisation nicht 1 und 
gestatten nur die Geltendmachung des Rechts aus dem verlorenen Wechsel mit richterlicher Er- 
mächtigung und gegen Kaution. 
Einige Länder, wie Ungarn, Rußland und die Schweiz (Art. 791) geben dem Verlierer 
auch das Recht, ein richterliches Zahlungsverbot zu erwirken 2. 
§ 20. Wechseleigentum und Wechselvindikation. 
In der Regel fällt der Wechselanspruch mit dem Wechseleigentum zusammen, doch sind 
immerhin seltene Ausnahmen möglich, in denen der Wechselgläubiger das Papiereigentum 
nicht erwirbt (z. B. bei dem fiduziarischen Indossament oder kraft besonderen Eigentums- 
vorbehalts; auch als Nießbraucher oder Pfandgläubiger kann der Besitzer des Wechsels Gläubiger- 
recht ohne Eigentum haben). 
Erworben wird der Wechselanspruch und damits (in der Regel) das Wechseleigentum 
durch jeden gutgläubigen Besitzerwerb und hinzutretende formelle Legitimation (durch ge- 
schlossene Girokette, auch Blankoindossament). Es ist weder Tradition, noch Eigentum des 
Vormanns, noch Echtheit der Indossamente, noch Geschäftsfähigkeit der Indossanten nötig. 
All dies gilt selbst dann, wenn der Wechsel gestohlen oder verloren war. 
Gutgläubiger Besitzerwerb ist vorhanden, wenn dem Erwerber, sei er Indossatar oder 
Remittent, zur Zeit des Erwerbs weder Bewußtsein der Rechtswidrigkeit noch grobe Fahr- 
lässigkeit zur Last fällt. Ausnahmsweise wird der gutgläubige Erwerber nicht geschützt, wenn er 
den Wechsel von einem Gemeinschuldner nach Eröffnung des Konkursverfahrens erworben 
hat. (KO. § 7.) 
Mit dem redlichen Besitzerwerb des formell Legitimierten erlöschen frühere Eigentums- 
und sonstige dingliche Rechte am Wechsel, selbst am gestohlenen oder verlorenen. 
Die Klage auf Herausgabe des Wechsels Wechselvindikation) ist keine Wechsel- 
klage. Der Kläger hat die Beweislast nicht nur dafür, daß er den Wechsel früher wechselmäßig 
besessen, sondern auch dafür, daß der Beklagte den Wechsel im bösen Glauben oder mit grober 
Fahrlässigkeit erworben habe. 
An Stelle des Wechsels tritt als Surrogat die deponierte Wechselsumme bzw der Betrag, 
den der Verklagte durch Einkassierung oder Weiterbegebung empfangen hat. Das Schweizer 
OR. Art. 790 spricht letzteres ausdrücklich aus. 
1 Rußland verwirft das Institut, weil die Publikation „bei uns infolge der ungenügenden. 
Verbreitung der Presse in der Masse der Bevölkerung zwecklos geblieben wäre.“ Amtliche Er- 
läuterungen bei Klibanski S. 65. Meyer S. 579 f. Trumpler S. 138 ff. — Das 
Haager Abkommen A. 13 überläßt die Amortisation in der Hauptsache der landesgesetzlichen Rege- 
lung; vgl. dazu Wieland S. 365, immerhin aber auch Entw. Art. 80 Abs. 2. 
*s Meyer ES. 577 ff. 
# * Es ist streitig, ob der Wechselanspruch das Wechseleigentum oder umgekehrt das Wechsel- 
eigentum den Wechselanspruch gibt. Für das erstere Dernburg II, 2 S. 279 N. 4. Ende- 
mann,, Lehrb. d. bürg. Rechts. 4. Aufl., S. 1218 N. 2.; für das letztere u. a. Staub--Stranz, 
Einleitung S. 4 Anm. 11, Adler S. 39, Gierke S. 105, 147 u. 116 N. 50, wo auch reiche 
Literaturnachweise. "
	        
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