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der Börse sind, ruht also die Verwaltung der Börse in privatrechtlichem Sinne und die Börsen-
aufsicht in einer Hand.
Die Handhabung der Ordnung in den Börsenräumen obliegt dem Börsenvorstand
(8 8); er hat zu diesem Zwecke eine disziplinarische Strafgewalt, die in Geldstrafen und in der
Ausschließung von der Börse besteht. Außerdem obliegt ihm die amtliche Kursfeststellung (§ 29).
In den Plätzen, wo die Fonds= und Produktenbörse zu einer einheitlichen Organisation ver-
einigt sind, wie in Berlin und Hamburg, bestehen besondere Abteilungen des Börsenvorstandes
für beide Börsen, so daß dem gesamten Börsenvorstande nur die be de Abteilungen betreffen-
den Angelegenheiten unterstehen. Über die Wahl des Börsenvorstandes (durch den Börsenunter-
nehmer, die Börsenbesucher oder das aufsichtsführende Handelsorgan) und seine Zusammen-
setzung enthalten die Börsenordnungen nähere Bestimmungen.
In Anlehnung an eine durch das Osterreichische Gesetz vom 1. April 1875 getroffene Ein-
richtung ist ferner durch das Gesetz die Institution des Staatskommissars geschaffen
worden (§ 2). Der Staatskommissar hat als Organ der Landesregierung den Geschäftsverkehr
an der Börse zu überwachen, über Mängel und die Mittel zu ihrer Abstellung Bericht zu er-
statten. Er ist berechtigt, den Beratungen der Börsenorgane beizuwohnen und diese auf Miß-
bräuche aufmerksam zu machen. Der Staatskommissar ist also lediglich kontrollierendes Organ.
Eine Mitwirkung bei der Börsenleitung oder ein unmittelbares Eingreifen steht ihm, abgesehen
von den im Gesetz vorgesehenen Fällen, insbesondere bei dem ehrengerichtlichen Verfahren,
nicht zu.
An jeder Börse wird femer ein Ehrengericht gebildet, das aus der Gesamtheit oder
einem Ausschusse des die Börsenaufsicht führenden Organs besteht (& 9). Das Ehrengericht
zieht zur Verantwortung Börsenbesucher, welche im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit an
der Börse sich eine mit der Ehre oder dem Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen nicht zu
vereinbarende Handlung haben zuschulden kommen lassen (§ 10). Der Staatskommissar kann
die Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens verlangen. Die Strafen bestehen in Ver-
weis sowie zeitweiliger oder dauernder Ausschließung von der Börse. Daneben kann auf
vollständigen oder teilweisen Ersatz der durch das Verfahren entstandenen baren Auslagen
erkannt werden. Gegen die Entscheidung des Ehrengerichts steht sowohl dem Staatskommissar
als dem Beschuldigten die Berufung an die periodisch zu bildende Berufungskammer offen
(5+* 17 Abs. 1). Dem Ehrengericht unterstehen alle Börsenbesucher, also beispielsweise auch
Mitglieder der Presse. Als begutachtendes Organ ist in Fällen, wo ein Einschreiten gegen
Mitglieder der Presse in Frage kommt, an der Berliner Börse ein aus drei Vertretern der
Presse bestehender Ausschuß gebildet worden.
Zur Erledigung von Streitigkeiten aus an der Börse geschlossenen Geschäften bestehen
an den meisten Börsen Schiedsgerichte. Eine Vereinbarung, durch welche die Be-
teiligten sich der Entscheidung eines Börsenschiedsgerichts unterwerfen, ist nach § 28 des Börsen=
gesetzes nur verbindlich, wenn beide Teile zu den Personen gehören, die die Börsentermin-
geschäftsfähigkeit besitzen, oder wenn die Unterwerfung unter das Schiedsgericht nach Ent-
stehung des Streitfalles erfolgt. Da die zur Börse zugclassenen Personen die Börsentermin-
geschäftsfähigkeit besitzen, kommt diese Bestimmung hauptsächlich in Betracht für die Geschäfte,
die der Bankier mit dem Publikum abschließt. Solche Geschäfte werden meist nach den
Usancen der betreffenden Börsen, an denen das Geschäft auszuführen war, abgeschlossen, und es
wird dabei vielfach die Zuständigkeit des betreffenden Börsenschiedsgerichts vereinbart. Die
Bestimmung soll zum Schutze des Publikums dienen, das die Tragweite eines im voraus er-
klärten Verzichts auf richterliche Entscheidung nicht übersehen kann.
Die erwähnte Bestimmung des Börsengesetzes bezieht sich nicht auch auf die gleichfalls
an den meisten Börsen bestehenden Einrichtungen von Sachverständigenkommissionen oder eines
Sachverständigenkommissars, die nicht über den geltend gemachten Anspruch selbst, sondern über
einzelne Vorfragen, z. B. Lieferbarkeit, Auslegung und Anwendung von Usancen usw. entscheiden.
Die sonstigen Börsenorgane, wie Kursmakler, Maklerkammer, Zulassungsstelle, sind an
der zugehörigen Stelle zu behandeln.
3. Für jede Börse ist eine Börsenordnung zu erlassen, die der Genehmigung der
Landesregierung unterliegt (# 4). Die Börsenordnung muß Bestimmungen treffen über die