Bankwesen. 243
war das Gründungs= und Emissionsgeschäft die Domäne der großen Privatbankfirmen, unter
denen das Haus Rothschild hervorrragte. Der Erichtung von Kreditbanken stand vor allem die
Staatsverwaltung hindernd im Wege. In Preußen war nach dem Gesetz vom 9. November
1843 zur Errichtung einer Aktiengesellschaft die landesherrliche Genehmigung erforderlich. Auch
in den übrigen Staaten war zur Erlangung der Korporationsrechte die landesherrliche Ge-
nehmigung einzuholen, die namentlich von den größeren Staaten nicht leicht zu erlangen war.
Ausnahmsweise erteilte die preußische Regierung im Jahre 1848 die Genehmigung zur Er-
richtung der Aktiengesellschaft A. Schaaffhausenscher Bankverein, um das rheinische Wirtschafts-
leben vor Erschütterungen infolge der Zahlungseinstellung des Kölner Bankhauses A. Schaaff-
hausen zu bewahren.
Die Bewegung zur Gründung von Kreditbanken erhielt einen mächtigen Impuls durch die
Errichtung des Crédit mobilier in Paris durch die Brüder Isaac und Emil Pereire im Jahre 1852,
eines Institutes, das in erster Linie das Gründungs= und Emissionsgeschäft pflegen sollte und
bestimmt war, die Ubermacht des Hauses Rothschild über den französischen Geldmarkt zu
brechen. Nach dem Vorbilde des Schaaffhausenschen Bankvereins und des Crédit mobilier
wurde im Jahre 1853 die Bank für Handel und Industrie in Darmstadt (Darmstädter Bank)
gegründet. Es folgt im Jahre 1856 die Direktion der Disconto-Gesellschaft, die seit 1851 in Form
einer offenen Handelsgesellschaft bestand, und die Handelsgesellschaft in Berlin; diese beiden
Institute wurden jedoch in Form der Kommanditgesellschaft auf Aktien errichtet, weil sie in
Preußen als Aktiengcsellschaft die Konzcssion nicht erhalten konnten. Im gleichen Jahre wurde
als Aktiengesellschaft die Mitteldeutsche Creditbank mit dem Sitz in Meiningen (szetzt Frank-
furt a. M.) errichtet. Von späteren Gründungen seien erwähnt die Deutsche Bank in Berlin
(gegr. 1870) und die Dresdner Bank in Dresden (gegr. 1872).
Die außerordentliche Bedeutung, welche mittlerweile die Kreditbanken für unser Wirt-
schaftsleben gewonnen haben, hat dazu geführt, daß die Frage einer gesetzlichen Regelung viel-
fach ventiliert wurde. In der Bankenqucte von 19081, die aus Anlaß der Verhandlungen des
Reichstags über die Verlängerung des Reichsbankprivilegs vom Reichskanzler berufen worden
war, wurde unter anderem erwogen, ob es im öffentlichen Interesse geboten sei, für die Sicher-
heit und Liquidität der Anlage von Depositen= und Spargeldern auf dem Wege der Gesetzgebung
Sorge zu tragen, insbesondere dadurch, daß die Kreditinstitute hinsichtlich der Deckung dieser
Gelder gewissen, die Sicherheit und Liquidität gewährleistenden Normativbestimmungen unter-
worfen würden sowie innerhalb bestimmter Zeiträume ausführliche Bilanzen nach vor-
geschriebenem Muster aufstellen und veröffentlichen müßten.
Auf Grund des Ergebnisses der Verhandlungen erklärten sich alle größeren Kreditbanken,
mit Ausnahme der Berliner Handelsgesellschaft, freiwillig bereit, Zweimonatsbilanzen nach
einem mit dem Reichsbankpräsidenten vereinbarten Schema zu veröffentlichen. Diese Publi-
kationspflicht erhielt nachträglich eine gesetzliche Grundlage durch & 4 Ziffer 5 der Bundesrats-
bestimmungen über die Zulassung von Wertpapieren zum Börsen-
handel vom 4. Juli 1910. Die Zulassung von Aktien inländischer Kreditbanken zum
Börsenhandel hat danach zur Voraussetzung, daß die Verpflichtung übernommen wird, neben
der Jahresbilanz regelmäßig Bilanzübersichten zu veröffentlichen. Für die Zwischenräume, in
denen die Aufstellung und die Veröffentlichung zu erfolgen hat, und für das den Nbersichten
zugrunde zu legende Muster ist das Abkommen maßgcbend, das eine Anzahl von Mitgliedern
der Berliner Abrechnungsstelle untercinander und der Berliner Abrechnungsstelle gegenüber
mit Zustimmung des Präsidenten des Reichsbankdirektoriums getroffen hat. Die diesem
Abkommen entsprechenden Bestimmungen, sowie spätere vom Reichska nzler genehmigte Ande-
rungen werden im „Reichsanzciger“ veröffentlicht 2.
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Bankenquete 1908, Verhandlungen der Gesamtkommission zu den Punkten I—V des
Fragebogens, Bankenquete 1908/1909, Verhandlungen der Gesamtkommission zu Punkt VI des
Fragebogens (Depositenwesen).
* Durch Bek. des Reichskanzlers v. 30. Juli 1911 (Reichsanzeiger v. 5. August) ist das
Schema der Bilanzübersicht bestimmt worden. Durch Bek. v. 20 April (Reichsanzeiger v. 24 April)
ist den Überseebanken gestattet, die Übersicht am letzten Tage des dritten auf den Abschlußtag
solgenden Monats zu veröffentlichen.
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