Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

264 J. Kohler. 
sogenannte Eventualmaxime und durch die Schriftlichkeit fielen allmählich; und nachdem sich 
Deutschland geeinigt hatte, entstand auf Grund dieser Entwicklung die ZPO. samt Einführungs-- 
gesetz vom 30. Januar 1877 (mit Gerichtsverfassung vom 27. Januar des gleichen Jahres); 
sie trat am 1. Oktober 1879 ins Leben. 
Die Schöpfung des Bürgerlichen Gesetzbuchs gab Anlaß zu einer Umformung, die leider 
viel zu wenig eingehend war und eine Reihe von Anforderungen nicht befriedigte. Es ent- 
stand die Zivilprozeßmovelle samt Einführungsgesetz vom 17. Mai 1898 und die Neufassung vom 
20. Mai 1898 sie trat am 1. Januar 1900 in Kraft (zitiert mit 8PO.) samt neu gefaßtem Gerichts- 
verfassungsgesctz (GVG.). Daß man viele Einzelmißstände nicht gehoben hatte, zeigte sich recht 
bald, und man war genötigt, durch Gesetze vom 5. Januar 1905, 1. Juni 1909 und 22. Mai 1910 
einiges flickweise zu verbessern, insbesondere weil das Rechtsmittelwesen nach Abhilfe schrie und 
die chronische Uberlastung des Reichsgerichts zu der Misere des deutschen Rechtslebens wurde. 
Dazu kam das Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsgesetz (für das Zwangs- 
verfahren in unbewegliches Vermögen) vom 24. März 1897, neugefaßt 20. Mai 1898 (zitiert 
ZVG.); und auch die Konkursordnung, die am 10. Februar 1877 ergangen und seit dem 1. Oktober 
1879 in Kraft war, wurde einer Umformung unterworfen durch Gesetz vom 17. Mai 1895, und 
so ist sie am 20. Mai 1898 neu bekanntgemacht worden (zitiert KO.). « 
Eine Ergänzung brachte eine Reibe weiterer Gesetze, wovon die Rechtsanwaltsordnung 
vom 1. Juli 1878 (RAO.), in wenigem abgeändert 22. Mai 1910, und das Gewerbegerichts- 
gesetz vom 29. Juli 1890, umgeformt 30. Juni 1901 und in neuer Fassung seit 29. September 
1901 (in Kraft seit 1. Januar 1902) (GGG.) und das Kaufmannzgerichtsgesetz vom 6. Juli 1904 
(KGG.) die bedeutsamsten sind. 
Zeigten die Prozeßgesetze in manchem einen Fortschritt, so haben sie sich in vielem nicht 
bewährt und bedürfen dringend einer Reform; vgl. meine Darstellung in der Rhein. Z. III 
S. 1 f. Unser Prozeß steht namentlich weit hinter dem österreichischen und dem neuen ungarischen 
zurück. Die österreichische Prozeßordnung vom 1. August 1895 ist ein geniales Werk von Klein, 
die ungarische vom 8. Januar 1911 ein nicht minder geniales Werk von Plosz. 
3. Kurze äußerliche Schilderung des Rechtsgangs. 
§ 11. Der Analyse der Prozeßvorgänge muß eine kurze äußerliche Skizze der Prozeß- 
entwicklung vorhergehen. 
Der Prozeß beginnt regelrecht mit der Klage, die meist durch Zustellung eines Schrift- 
satzes erfolgt, welcher den Anspruch enthält und zu gleicher Zeit das Recht kennzeichnet, aus 
welchem der Anspruch hervorgeht. Hiermit soll, sofern erforderlich, eine Angabe des Streitwertes 
verbunden sein. 
Die Klage muß außer dem Obigen eine Ladung des Beklagten zu einem bestimmten 
Termin enthalten, weshalb sie vor der Zustellung bei der Gerichtsschreiberei zur Termin- 
bestimmung einzureichen ist, worauf der Vorsitzende die Terminbestimmung vornimmt und der 
Kläger die Klage abholt und zustellen läßt. In den Normalfällen, in den Prozessen vor dem 
Landgericht, muß die Klage von einem bei dem betreffenden Landgericht zugelassenen Rechts- 
anwalt ausgehen und die Aufforderung enthalten, daß der Beklagte ebenfalls einen solchen 
Anwalt zu seiner Vertretung ernenne, weil er wegen des Anwaltszwanges nicht in der Lage 
wäre, den Aufgaben der Prozeßordnung persönlich zu entsprechen. 
Die Ladung darf nicht erst unmittelbar vor dem Termin zugestellt werden, sondern es 
soll zwischen der Zustellung und dem Termin eine Zwischenfrist liegen, die sogenannte Ein- 
lassungsfrist; diese beträgt, wenn sic vom Gericht nicht abgekürzt ist, beim Landgericht zwei 
Wochen (früher einen Monat); beim Amtsgericht ist sie kürzer. 
In der Zwischenzeit sollen die vorbereitenden Schriftsätze gewechselt werden; es soll also 
der Beklagte durch seinen Anwalt eine Entgegnung geben. Allerdings setzt diese voraus, daß ihm 
der Kläger vorher einen vorbereitenden Schriftsatz unter Angabe der Tatsachen und Beweise, 
die er bringen will, zustellt: dieser wird aber gewöhnlich schon mit der Klage verbunden. Auf 
den Schriftsatz des Beklagten kann der Kläger seinen sogenannten Replikschriftsatz abgcben, 
und nunmehr kommt der Termin heran.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.