Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 267 
Parteifähigt oder gerichtsfähig ist, wer für den Prozeß rechtsfähig ist, d. h. 
wer die Befähigung hat, Subjekt einer Prozeßrolle zu sein; diese hat bei uns jeder Mensch: es 
gibt keine Ausnahmen, denn wir haben keine rechtsunfähigen Menschen, keine Menschen ohne 
Personencharakter. Anders verhält es sich mit den Vereinen, Stiftungen, Anstalten, über- 
haupt mit denjenigen sozialen Gebilden, welche rechtliche Persönlichkeit erlangen können. Haben 
sie keine erlangt, so ist von einer Rechtsfähigkeit und darum auch von einer Parteifähigkeit keine 
Rede, und es kann mithin ein Prozeß von ihrer Seite nicht geführt werden: es ist hier nur möglich, 
daß entweder die Vereinsgenossen in streitgenössischer Weise klagen, oder daß ein einzelner als 
Treuhänder den Prozeß führt in der Art, daß die einzelnen Mitglieder, welche sich tatsächlich 
unter dem Schutze einer vermeintlichen juristischen Persönlichkeit bergen, diese Treue annehmen. 
Doch dieses ließ sich nicht völlig durchführen, und so bestimmen §§ 50, 735 B PO. und 
§6 2213 KO., daß sämtliche Vereine, auch die Vereine ohne zivilrechtliche juristische Persönlichkeit, 
doch für den Prozeß passiv Persönlichkeit haben sollen, d. h. soweit sie verklagt sind oder durch 
Vollstreckung angegriffen werden. Es verhält sich hiermit ähnlich wie im Mittelalter mit den 
Geächteten und Exkommunizierten, welche nicht klagen, aber verklagt werden konnten 2. Natür- 
lich haben sie die juristische Persönlichkeit nur für den Prozeß, nicht für das bürgerliche Recht, 
aber in der Art, daß die zivilrechtlichen Folgen des Prozesses die bezüglichen Rechte der Vereins- 
genossen treffen: diese sind ja die Träger des Vereinsvermögens, das man ungenau im Leben 
und Sprachgebrauch einer nicht vorhandenen zivilistischen Persönlichkeit zuschreibt. Da mithin 
der Verein als prozessuale juristische Person den Prozeß führt, die Folgen aber die Vereins- 
genossen treffen, so liegt hier dasjenige vor, was man Prozeßstandschaft nennt, wie unten 
(S. 292) weiter erörtert werden soll 3. 
Prozeßfähigkeit ist die Befähigung, die Prozeßhandlungen selbst vornehmen 
oder wenigstens ihre Vornahme im einzelnen bestimmen zu können. Während sämtliche phy- 
sische Menschen parteifähig sind, so sind nicht alle prozeßfähig: der Prozeßunfähige kann aller- 
dings Träger einer Prozeßrolle sein, die Prozeßhandlungen aber sind durch einen gesetzlichen 
Vertreter vorzunehmen. Mitunter ist auch die Partei beschränkt prozeßfähig: in solchem Falle 
kann sie zwar Prozeßhandlungen vornehmen, aber nur in Sachen, wo sie geschäftsfähig ist. 
Die Prozeßordnung hat die Frage der Prozeßfähigkeit nicht geregelt, sondern bezieht 
sich auf das bürgerliche Gesetz zurück (§52 3PO.). Sofern die Partei nach bürgerlichem Rechte 
über die im Prozesse stehende Sache sich verpflichten kann, insofern kann sie auch die Prozeß- 
handlungen vornehmen; nicht als ob der Prozeß eine Verfügung wäre, wohl aber weil der 
Prozeß zu Ergebnissen führen kann, welche einer Verfügung gleichstehen. Handelt es sich um 
den Untersuchungsprozeß, so gilt solgendes: zur Prozeßfähigkeit des Antragstellers gehört voll- 
kommene Geschäftsfähigkeit; über die Prozeßfähigkeit des betroffenen Teils bestehen besondere 
Bestimmungen. 
In einigen Fällen, nämlich in personenrechtlichen Angelegenheiten, wo tiefliegende Inter- 
essen der Person im Spiele stehen, kann zwar nicht der Geschäftsunfähige, wohl aber der Ge- 
schäftsbeschränkte ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters den Prozeß führen und Prozeß- 
handlungen vornehmen; dies insbesondere, was die Ehescheidungsklage, die Anfechtung einer 
Ehe und die Anfechtung der Kindschaft betrifft (§§ 612, 641 8PO., 8§ 1336, 1341, 1595 f. BG.). 
Ja, wenn es sich um die Anfechtung der Entmündigung handelt, kann der Entmündigte und 
1 Ich muß mich dieses vom Gesetze gebrauchten Ausdrucks bedienen; er ist ungenau, weil er 
auch bei Nichtparteien in Betracht kommt. Ich hatte früher den zutressenden Ausdruck „Ge- 
richtsfähigkeit“ gebraucht; in der Zivilprozeßnovelle hat man aber den schlechteren Ausdruck 
angenommen. 
: Belege dafür in den „Gesammelten Beiträgen“ S. 5492 f. So auch Rom (1363) I, 12 und 13: 
ein wegen Schulden diffidatus, soweit es sich um Schulden über 100 solidi handelt. Auch kommt 
es vor, daß, wer die Geldstrafen nicht gezahlt hatte, keine Klage erheben durfte; so Saldö (1386) 
a. 134 (Bettoni IV, p. 188). Die Glossatoren und Postglossatoren besprechen diesen Fall 
häufig mit der Bemerkung, daß der Mangel der Parteifähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen sei. 
Im übrigen vgl. über die nur für den Passivprozeß rechtsfähigen Vereine Lehrb. des bürgert. 
Rechts 1 S. 407. Z 
:* Daher sind auch die einzelnen Mitglieder eventuell zum Offenbarungseide heranzuziehen 
O##. Rostock 30. 9. 1911, Mugdan XXV. S. 175. 
 
	        
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