Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 275 
„Die ersuchende Behörde ist auf ihr Verlangen von der Zeit und dem Orte der auf das 
Ersuchen vorzunehmenden Handlung zu benachrichtigen, damit die beteiligte Partei ihr bei- 
zuwohnen in der Lage isst. 
Die Erledigung des Ersuchens kann nur abgelehnt werden: 
1. wenn die Echtheit der Urkunde nicht feststeht; 
2. wenn in dem ersuchten Staate die Erledigung des Ersuchens nicht in das Bereich der 
Gerichtsgewalt fällt; 
3. wenn der Staat, in dessen Gebiete die Erledigung stattfinden soll, sie für geeignet hält, 
seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.“ 
Dazu kommen weitere Vereinbarungen, so mit den Niederlanden und Luxemburg, Nor- 
wegen (RBl. 1909 S. 907). Mit gewissen Ländem, so mit Luxemburg und den Niederlanden, 
besteht unmittelbarer Geschäftsverkehr. 
4. Einrichtung der Gerichte. 
§ 19. Grundsätze. Die Einrichtung der Gerichte ist aus der geschichtlichen Ent- 
wicklung hervorgegangen. 
Die Gerichtstätigkeit geht ursprünglich von der Volksversammlung aus oder von dem- 
jenigen, der das Recht des Volkes in seiner Person vereinigt, vom Häuptling, später vom König. 
Mit der Zeit tut eine bestimmte Individualisierung not: die Tätigkeiten des Staates können 
nicht alle von diesen Organen der Volksgemeinschaft ausgehen, und es bedarf eines Beamten- 
organismus, um nach den verschiedenen Richtungen hin die staatlichen Aufgaben zu erfüllen. 
So entstehen neben der Volksversammlung und neben dem König die Richter. Die Organisation 
hat sich verschieden entwickelt, je nachdem der eine oder andere Ausgangspunkt überwogen hat; 
wo das Königsrecht die Grundlage bildete, sind die Gerichte durch königliche Beamte vertreten: 
sie üben ihr Amt aus kraft der ihnen vom König gegebenen Würde und sie sind auch dem Könige 
für die Ausübung verantwortlich; wo aber die Volksversammlung die Grundlage war, sind 
vielfach Volksrichter übriggeblieben, einzelne Männer aus dem Volke an Stelle des 
Volkes, die um so eher das Ganze vertreten können, als es auch bei der Volksversammlung ge- 
wöhnlich nur einige sind, welche den Rechtsspruch vorschlagen, während andere durch Zustim- 
mung sich anschließen. Solche Volksrichter gab es in Rom; es gab solche aber auch ins- 
besondere in Deutschland, und vor allem im fränkischen Reiche. Die Art der Gerichtsorganisation 
im fränkischen Reiche ist jahrhundertelang für Deutschland maßgebend gewesen, und als das 
Reich Karls des Großen sich nach Norden und Süden ausdehnte, ist die fränkische Gerichts- 
verfassung siegreich zur Geltung gekommen; vor allem auch in Italien, welches von da an der 
Herd der weiteren Entwicklung geworden ist. Die Eigentümlichkeit der fränkischen Gerichts- 
verfassung aber bestand darin, daß das Urteil rechtlich von Leuten aus dem Volke gesprochen 
ward. Die Urteilssprecher, wie sie Karl der Große eingeführt hat, und wie sie später durchaus 
üblich geworden sind, als die Volksversammlung nicht mehr zusammentreten wollte, hießen 
Schöffen (Scabini). 
Die Schöffenverfassung hat in Deutschland mehrere Jahrhunderte geherrscht; wir finden 
sie zur Zeit des Sachsenspiegels im 13. und zur Zeit des Richtsteigs im 14. Jahrhundert. Wir 
finden sie noch in Süddeutschland bis in das 18. 1, ja in der Schweiz bis in das 19. Jahrhundert 
hinein. Wir finden sie in Italien im 12. und 13. Jahrhundert, bis sie allmählich dem fremden 
Recht erlegen ist. 
Der Schöffe war Urteilssprecher; er allein gab das Urteil; der königliche Beamte hatte 
nur die Rechtssache zu leiten und schließlich das Urteil zu verkünden. 
Wo dagegen der Königsgedanke mächtig war, da lag nichts näher, als daß die Streitsache 
an den König als den höhern und höchsten Richter gezogen wurde. Dies war ein Kulturelement 
von großer Bedeutung; in Rom hat seinerzeit die Anrufung des Kaisers, in Deutschland 
die Anrufung des Königs als Königsgericht, in England die Anrufung des Königs, in Frank- 
1 Nachweise in den Beiträgen zur germanischen Privatrechtsgeschichte III, S. 6 f. 
18“
	        
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