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Schranken, ginge er gar so weit, das Urteil zu fällen, so wäre ein solches Handeln nicht ein
Handeln des Gerichts, und daher nichtig. Ubrigens besteht ein gewisser Unterschied zwischen der
Tätigkeit des beauftragten Richters (der unter der Kontrolle des Gerichts steht) und der Tätig-
keit des Vorsitzenden, welcher Unterschied in I§s 571, 576 zutage tritt.
Zu den Organen des Gerichts gehört der Gerichtsschreiber, welcher zunächst als Protokoll-
führer gedacht ist: er hat das Sitzungsprotokoll zu führen und es (nebst dem Vorsitzenden) zu
unterzeichnen. (§ 163 8 PO.). Als solcher stammt er aus dem germanisch-kanonischen Prozeß.
Schon von alters her verwandte man in Italien Notare zur Errichtung einer notitia über
die Gerichtsverhandlungen. Durch die berühmte Dekretale Quoniam, das c. 11 X de prob.
(2, 19), hat Innocenz III. die Mitwirkung des Gerichtsschreibers zur Notwendigkeit gemacht.
Außerdem hat der Gerichtsschreiber auch bei der Zustellung und bei der Vollstreckung mit-
zuwirken (§§ 166, 168, 196, 204, 207, 753 B PO.).
Auch er kann unter Umständen für das Gericht handeln. So hat er die Zeugen und Sach-
verständigen zu laden (5§ 377, 402); er kann eine Reihe von Rechtshandlungen der Partei ent-
gegennehmen, so namentlich eine Ablehnung des Richters (§s 44), das Gesuch um Armenrecht
(5 118), um Beweissicherung (§ 486), um Aussetzung des Verfahrens (5 248), das Gesuch um
Arrestlegung (I§ 920), unter Umständen die Beschwerde (§ 569), das Erbieten zur nachträglichen
Eidesleistung (§ 466), den Antrag auf Rückgabe der Sicherheit (§§ 109, 715), den Entmündigungs-
antrag (§ 647), den Aufgebotsantrag (5947 8 PO.). Noch weiter reicht seine Tätigkeit im amts-
gerichtlichen Verfahren, wo er insbesondere auch die Klage in der Art entgegennimmt, daß er
ihr die entsprechende Fassung gibt, so daß sie zur Zustellung geeignet wird (§§# 496 bis 4988 PO.),
wo er aber auch noch in sonstiger Weise tätig ist, vgl. § 508 8PO.; und so auch beim Gewerbe-
und Kaufmannsgericht, wo die Zustellungen durch den Gerichtsschreiber zu veranlassen sind (§§ 32,
33 GGG. und &* 16 KGG.). Neuerdings sind mit Recht den Gerichtsschreibern zur Entlastung
des Gerichts noch weitere Funktionen zugewiesen worden, so die Kostenfestsetzung (5 104), der
Vollstreckungsbefehl (§ 699 ZPO). Auch die Tätigkeit des Gerichtsschreibers ist eine Tätigkeit
des Gerichts, aber nur dann, wenn er sich innerhalb seiner Schranken hält; sonst wäre sie keine
Gerichtstätigkeit und damit nichtig. Als Tätigkeit des Gerichts unterliegt sie den gesetzlichen
Bestimmungen: die Partei ist nicht in der Lage, ein anderes Verfahren vorzuschreiben (RG. 46
S. 323); sie unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 576 8P.).
5. Arten der ordentlichen Gerichte.
8 21. Die regelrechten Gerichte (erster Instanz) sind die Landgerichte, die durch ihre Zivil-
kammern die bürgerlichen Rechtssachen erledigen. Die Zivilkammer als fungierendes Gericht
hat drei Richter, mit Einschluß des Vorsitzenden. Die Geschäfte werden für das ganze Jahr
nach bestimmten Gesichtspunkten verteilt. Es ist nicht etwa gestattet, beliebig Sachen von der
einen Kammer auf die andere Kammer überzuschieben. Der Grund ist der: man fürchtet eine
Beeinflussung der Gerichte, da sonst die Möglichkeit gegeben wäre, die Kammern so zu bilden,
daß gerade Richter einer bestimmten Lebensanschauung und einer bestimmten politischen Richtung
tätig wären. Die Gerichtstätigkeit des Landgerichts durch seine Zivilkammern ist daher eine
objektiv abgeteilte — allerdings nur im obigen Sinne (S. 277; vgl. G. 62 f.).
In dieses System nun hat man die Kammern für Handelssachen eingefügt. Man wollte
nämlich keine selbständigen Handelsgerichte mehr haben, um die vielen überflüssigen Streitig-
keiten, ob eine Sache an das Handelsgericht oder an das bürgerliche Gericht gehöre, zu ver-
meiden. Allerdings ist diese Kammer als fungierendes Gericht anders zusammengesetzt als
die Zivilkammern, nämlich mit einem Mitglied des Landgerichts und zwei kaufmännischen Bei-
sitzernn. Aber trotzdem handelt sie als Organ des Landgerichts und für das Landgericht, und
wenn eine Zivilkammer die Streitsache als handelsgerichtlich erklärt und umgekehrt, so wird
sie einfach an die betreffende Kammer verwiesen, und es hat dabei sein Bewenden. Etwas
Besonderes ist es, daß bei dieser Verweisung die Parteien eine Rolle spielen: der Kläger hat
zu beantragen, daß die Sache an die Kammer für Handelssachen kommt; der Beklagte kann
die Verweisung an die Zivilkammer begehren, wenn die Sache nicht der Kammer für Handels-
sachen angehört, ebenso umgekehrt, wenn eine an diese Kammer gehörige Sache an die Zivil-