Zivilprozeß- und Konkursrecht. 281
Die englischen Richter lehnen die schikanöse Benutzung der Gerichtsstände mit Recht ab;
sie haben damit einen richtigeren Takt bewiesen als die deutschen 1. Auch wir müssen in solchem
Falle den Gebrauch des Gerichtsstandes mit der exceptio doli zurückweisen 2.
Besondere Schwierigkeiten fand dieser Gerichtsstand bei Immaterialgüterrechten, die in
irgendeiner Weise lokalisiert werden müssen. Wir haben eine besondere Bestimmung darüber
im Patentrecht: dieses ist da lokalisiert, wo der Vertreter des auswärtigen Patentinhabers wohnt,
nötigenfalls in Berlin, wo das Patent erteilt wurde (§ 12 Patentges.)
Andere Gerichtsstände ergeben sich daraus, daß man eine Verknüpfung zwischen der
Ortlichkeit und der Streitsache annimmt. Wenn der Beklagte die Streitsache decken will, so
findet man es gerechtfertigt, daß er bei dem Gericht auftreten soll, wo die Streitsache sich befindet.
Der Hauptfall ist der, welcher durch den Ausdruck forum rei sitae, Sitz der gelegenen Sache,
bezeichnet wird: handelt es sich insbesondere um Grundstücke, um das Eigentum und ding-
liche. Rechte daran #, namentlich um Hypotheken, so ist es gerechtfertigt, daß die Streitigkeiten
da ausgetragen werden, wo das Grundstück liegt. Hierfür spricht noch ein sehr wichtiger inter-
nationaler Grund. Es ist nicht wünschenswert, daß über das Eigentum am Grund und Boden
des Inlandes fremde Gerichte entscheiden. Diese Rücksichten haben im deutschen Rechte zu dem
Satze geführt, einen solchen Gerichtsstand als ausschließlich zu bezeichnen, d. h. zu erklären, daß
hier keine Zuständigkeitsvereinbarung möglich und daß in solchem Fall auch der Gerichtsstand
des Wohnsitzes ausgeschlossen ists.
Andere derartige Gerichtsstände sind nicht ausschließlich, sondern wahlweise gegeben.
Dahin gehört vor allem der berühmte Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Man nimmt an, daß,
wo eine Verbindlichkeit zu erfüllen ist, sie auch eingeklagt werden kann. Dies hat die größten Be-
denken. Der Erfüllungsort einer eingeklagten Schuld ist allein abhängig von den Angaben der
Klage und daher völlig in das Belieben des Klägers gestellt, der die freie Möglichkeit hat, der
Klage einen willkürlichen Inhalt zu geben. Solche Gerichtsstände aber sind ein Fehler, denn sie
stehen im Widerspruch mit den Grundgedanken der Gerichtsordnung, welche den Beklagten der
Willkür des Klägers entziehen will. Nichtsdestoweniger hat die Z PO. diesen Gerichtsstand
angenommen und ihn trotz meiner wissenschaftlich geäußerten Bedenken neuerdings beibehalten
(auch GewGG. 27), während z. B. die österreichische Prozeßordnung (Jurisdiktionsnorm) mit
Recht von einem so allgemeinen Gerichtsstand zurückgeschreckt ist: sie gewährt ihn nur dann,
wenn der Erfüllungsort schriftlich vereinbart ist, oder unter Handeltreibenden, wenn eine darauf
lautende, mit der Ware geschickte Faktura unbeanstandet angenommen wurde (5§88 Jurisd Norm.).
Und nach der neuen Ungarischen Z PO. 8 29 kann an diesem Orte nur geklagt werden, wenn
hierüber ein schriftlicher Vertrag besteht, oder wenn dem Beklagten am Sitze des Gerichts die
Ladung zugestellt werden kann. Letzteres war die Bestimmung des gemeinen Prozesses ge-
wesen: dieses hatte hiermit sehr gesunde Grundsätze aufgestellt, die wir leider verlassen haben.
forderung belastet ist und nachträglich von dieser Aufrechnung Gebrauch gemacht wird, RG.
7. 6. 1904 Entsch. 58 S. 258.
1 Bgl. die englische Entscheidung Logan v. Banks of Scotland in Z. f. Bölkerrecht I S. 457.
* Man hat sogar folgenden Trick ausgesonnen: A. klagt gegen B., der kein inländisches Ver-
mögen hat, wird abgewiesen und in die Kosten verurteilt. Jetzt hat B. einen inländischen Kosten-
anspruch und damit inländisches Vermögen erlangt. Und jetzt beklagt man ihn am Orte dieser
Kostenforderung (dem Wohnsitz des Kostenpflichtigen)! Natürlich ist in solchen Fällen eine e-
ceptio doli gegeben, selbst dann, wenn der Trick gar nicht in dieser Absicht gespielt wird; denn
schon das ist eine Arglist, eine solche Lage zur Benachteiligung des wehrlosen Ausländers zu be-
nutzen. Daß das RG. in solchem Falle die Zuständigkeit passieren ließ, muß wundernehmen.
Noch mehr muß die Argumentation des R. 21. 5. 1886 Entsch. XVI S. 393 befremden, worin
mit dürren Worten gesagt ist: „der für das Privatrecht geltende Grundsatz, daß niemand durch
arglistiges Verhalten Rechte erwerben könne, kann nicht angerufen werden, um die Klageerhebung
in einem Gerichtsstande auszuschließen, dessen durch das Prozeßrecht geregelte Voraussetzungen
gegeben sind“. Diese Argumentation wird erklärlich, wenn wir das Datum 1886 betrachten,
denn die Zeit 1884—1892 war die Zeit, in welcher sich das R., was die erxceptio doli betrifft,
in vollkommenem Irrgange befand.
* Handbuch des Patentrechts S. 63 f., Lehrbuch des Patentrechts S. 17.
* Auch um Realgewerberechte, RE. 29. Nov. 1899 Entsch. 45 S. 385.
* Es gibt aber auch Fälle, wo der dingliche Gerichtsstand nicht ausschließlich ist, # 26 3 PO.,
aber auch § 15 Z. 2 E. dazu.