Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 283 
abrede oder Prorogation: solche ist ein prozeßrechtlicher Vertrag; er ist prozeßrechtlich, wenn 
er auch mit einem zivilrechtlichen Vertrag verbunden wird. Ubrigens ist, da das Interesse des 
Beklagten nicht das einzige ist, eine solche Vereinbarung nicht immer statthaft; sie ist nament- 
lich ausgeschlossen, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht, und stets in Familien= 
prozessen (§ 40 8PO.). 
7. Sachliche Zuständigkeitsordnung. 
§ 23. Es gibt zweierlei Arten ordentlicher Gerichte erster Instanz: die Landgerichte und die 
Amtzgerichte. Auch hier besteht eine Ordnung: es ist dem Kläger nicht ins Belieben gestellt, den. 
Beklagten vor das eine oder andere Gericht zu rufen, und auch hier können neben den Inter- 
essen des Beklagten auch Interessen öffentlicher Natur walten; meist wiegen die ersten vor: 
dann ist eine Zuständigkeitsvereinbarung möglich. 
Der Hauptgedanke der Verteilung ist: die wichtigen Sachen an die stärker besetzten Land- 
gerichte zu bringen; daher gilt zunächst die Ordnung: Familienrechtsstreitigkeiten und Ver- 
mögensstreitigkeiten über 600 Mark (Streitsumme) kommen an das Landgericht, andere Sachen 
an das Amtsgericht (szs 23 u. 70 GV.) 1. 
Nun gibt es aber gewisse Streitsachen, die, teils wegen der wünschenswerten Beschleunigung, 
teils im Interesse einer versöhnlichen Beilegung, ohne Rücksicht auf die Summe an das Amts- 
gericht kommen, so Räumungsklagen, Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, zwischen 
Gesinde und Herrschaft, Klagen über Viehmängel, über Wildschaden und über die Folgen 
der außerehelichen Begattung?; und bestimmte Prozeßarten, wie das Mahnverfahren, das 
Untersuchungsverfahren (S. 350), gehören stets an das Amtsgericht. 
Umgekehrt sind gewisse Streitsachen ohne Rücksicht auf die Summe landgerichtlich, und 
zwar ausschließlich landgerichtlich, insbesondere Gehaltsstreitigkeiten der Beamten und Streitig- 
keiten gegen Beamte wegen Verletzung ihres Dienstverhältnisses, worüber in § 70 GV. und 
in den entsprechenden Landesgesetzen, z. B. § 39 preuß. Ausf.-Gesetz zur GV., das Nötige ent- 
wickelt ist. 
8. Instanzordnung. 
§ 24. Neben der Gerichtsstands- und sachlichen Zuständigkeitsordnung gibt es eine Instanz- 
ordnung. Diese ist nicht eine Ordnung des Prozesses, sondern eine Ordnung der Verfahrens- 
weisen innerhalb des Prozesses. 
Das System der Rechtsmittel hat dazu geführt, daß die Entscheidungen der Gerichte 
nicht endgültig, sondern auflösend bedingt sind und ein weiteres Gericht angerufen werden 
kann, um in einem neuen Verfahren den Auflösungsfall herbeizuführen und eine neue Ent- 
scheidung zu erlassen. Die Gerichte, welche in diesem Verfahren eine höhere Entscheidung geben, 
sind den ersten Instanzrichtern übergeordnet: man sagt, sie bilden eine zweite Instanz. Bei 
uns sind die Landgerichte die zweite Instanz gegenüber den Amtsgerichten, sofern also die Sache 
in erster Instanz beim Amtsgericht schwebte; sie sind auch die zweite Instanz gegenüber den 
Gewerbe- und Kaufmannzgerichten (§ 55 GGG., + 16 KGG.). Entscheiden die Landgerichte 
in erster Instanz, so bilden die Oberlandesgerichte die zweite Instanz, und nur sofern diese ent- 
schieden haben, kann eine Sache nach an eine dritte Instanz gelangen. Dritte Instanz ist jetzt 
fast ausschließlich das Reichsgericht, und nur ausnahmsweise, in Bayern, kann das oberste Landes- 
gericht in München an seine Stelle treten, 88 EG. zu GVG.; vgl. namentlich a. 6 EGG. zum BGB. 
Aus dem Obigen ergibt es sich, daß bei dem Landgericht eine oder mehrere Abteilungen 
bestehen, die als Berufungsgerichte (Beschwerdegerichte) gegenüber den Amtsgerichten und 
Gewerbe- und Kaufmannsgerichten tätig sind. Aber auch diese Abteilungen bilden nicht eine 
besondere Behörde, sondern sie sind Abteilungen eines und desselben Landgerichts. 
Die Instanzordnung ist in erster Reihe nicht im Interesse der Parteien, sondern im Inter- 
esse der Richtertätigkeit gegeben; denn die Besetzung der Obergerichte hat gerade im Hinblick 
: Früher waren es 300 Mk. Die Summe wurde durch die Novelle von 1909 erhöht. 
Ein Mißbrauch ist es, wenn der Beklagte eine Widerklage erhebt, um gemäß § 506 3PO. 
das Ganze vor das Landgericht zu bringen. Das Amtsgericht hat in solchem Fall nach § 145 8#O. 
die Widerklage ad separatum zu verweisen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.