286 J. Kohler.
1. jedem Mitglied das Recht geben muß, Fragen zu stellen (5 139 3PO.);
2. die Verhandlung nur schließen soll, wenn das Gericht den Schluß für angezeigt hält
6 136 3PO.);
3. die geschlossene Verhandlung nur auf Beschluß des Gerichts wieder eröffnen soll
(§ 156 3PO.);
4. nur kraft Beschlusses des Gerichts einem Mitwirkenden den Vortrag untersagen kann
(5 157 3PO.).
5. Endlich hat das Gericht zu beschließen, ob die Verhandlungen zunächst auf einzelne
Punkte zu beschränken oder gar mehrere Prozesse getrennt oder vereinigt werden
sollen (§§ 145 ff. Z PO.).
Geht er aber aus dem Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägung heraus, handelt es sich
darum, daß eine Tätigkeit des Vorsitzenden gesetzlich unstatthaft ist, so entscheidet (auf Ver-
langen) das Gericht (§ 140 8 PO.). Ebenso, wenn eine Zwangsmaßregel oder Ordnungsstrafe
gegen Personen stattfinden soll, welche das Verfahren stören oder sich einer Ungebühr schuldig
machen (§# 178 bis 181 GV.).
Handelt das Mehrheitsgericht durch einen beauftragten Richter, so hat der beauftragte
Richter, solange er tätig ist, die Befugnisse eines Einzelrichters (§ 182 GV., § 400 Z PO.).
Das mündliche Verfahren verlangt seine schriftliche Festlegung, damit auch der späteren
Zeit ein Bild des Verfahrens erhalten bleibt; für gar manche Fragen künftiger Tage, ins-
besondere, wenn der Prozeß durch Rechtsmittel erneuert werden soll, ist eine Kenntnis des Ver-
fahrens nicht nur im ganzen, sondern auch im einzelnen unerlößlich.
Da aber das Schreiben mit dem Sprechen nicht gleichen Schritt hält, so klafft hier ein
Widerspruch, der vielfach zur Entartung des mündlichen Verfahrens geführt hat. Zwar war
der römische Prozeß und der germanische Prozeß mündlich gewesen, aber ohne genaue und
eingehende Fixierung; im gemeinen Rechte, vor dem Reichskammergericht trat die Fixierung
scharf herwor, und die Folge war, daß die Prokuratoren die Erklärungen in Schriftsätzen ein-
reichten und diese Schriftsätze vorlasen: diese Vorlesung hielt man später für überflüssig, und
man betrachtete es als genügend, wenn die Schriftsätze vorgelegt wurden. Bei den Territorial-
gerichten ist dann auch diese Vorlegung weggefallen, und die Schriftsätze wurden einfach ein-
geschickt. Und so hat sich das schriftliche Verfahren gestaltet, das bis in die Mitte des 19. Jahr-
hunderts in Deutschland üblich gewesen ist, zum schweren Schaden der Rechtsprechung und
zur außerordentlichen Verschleppung der Prozesse.
Ein vollkommen genügendes Mittel der Fixierung des mündlich vorgetragenen Materials
hat allerdings auch der heutige Prozeß nicht. Manche Länder bedienen sich der Stenographie 1,
welche aber noch viel zu unzuverlässig ist, als daß man sie für offizielle Akte als maßgebend er-
achten könnte, namentlich da es nicht möglich ist, für rechtzeitige Korrektur zu sorgen und damit
den Irrtümern und Mißverständnissen abzuhelfen. Ein anderes Mittel ist es, durch Phono-
gramm das gesprochene Wort aufzufangen und festzuhalten, um es nachher beliebig repro-
duzieren zu können. Dieses Mittel ist das Mittel der Zukunft; dann werden die Gerichtsakten
ein ganz anderes Aussehen annehmen: sie werden im wesentlichen aus Scheiben oder Rollen
bestehen, welche derartige phonographische Feststellungen enthalten. Heutzutage hat man
sich zu diesem Verfahren noch nicht verstanden; ja es fehlt noch an der gründlichen praktischen
Vorbereitung der Frage; was zu bedauem ist. Man hilft sich bis jetzt mit einer Kombination
mehrerer Mittel: man läßt ein Sitzungsprotokoll schreiben, das aber die Vorträge der Parteien
nur im allgemeinen andeutet, ohne auf ihren Inhalt einzugehen; man läßt den Richter den
Tatbestand schreiben, der mit dem Urteil verbunden sein soll und eine inhaltliche Darstellung
der Vorgänge des Prozesses enthält 2; man läßt die Anwälte sogenannte vorbereitende Schrift-
sätze anfertigen und gibt dem Richter die Möglichkeit, bei der mündlichen Verhandlung zu prüfen,
inwiefern der Vortrag mit diesen Schriftsätzen übereinstimmt oder nicht. Auch müssen im
1 So auch die österreich. ZPO. 7 280. Z
* Der Tatbestand ist eine altdeutsche Einrichtung; in den Urteilsbriefen deutscher Gerichte
findet sich bereits eine ausführliche Schilderung der Prozeßvorgänge, Kohler, Verfahren des
Hofgerichts Rottweil S. 72f.