Zivilprozeß- und Konkursrecht. 287
Anwaltsprozeß die Anträge aus vorbereitenden Schriftsätzen oder aus nachträglich zu Protokoll
gegebenen Schriftstücken verlesen werden, so daß diese schon hierdurch festgelegt werden (§§ 297 ff.
3PO.). Auf solche Weise soll ein Bild des Inhaltes des Parteivorbringens gegeben werden;
wobei noch zu bemerken ist, daß die vorbereitenden Schriftsätze nur so weit in Betracht kommen,
als der Tatbestand sich auf sie bezieht und sie zu Teilen des Tatbestandes erhebt.
Das wäre an sich leidlich, aber von großem Bedenken ist es, daß die Beweis-
erhebunger regelmäßig vollkommen protokolliert werden müssen. Die Zivilprozeßordnung
gestattet nur dann hiervon abzustehen, wenn das Urteil keiner Berufung unterliegt (§ 161 8PO.),
was fast nur bei Urteilen zweiter Instanz zutrifft. Diese ausführlichen Zeugenprotokolle sind
eine große Last: sie hemmen die Verhandlungen, lassen das Interesse erlahmen und verhindern,
daß der Richter ein einheitliches Bild des Verfahrens erlangen kann.
Die vorbereitenden Schriftsätze, welche ein Mittel der Feststellung sind, haben noch eine
andere Bedeutung: sie sind das Mittel, welches namentlich unter Rechtsanwälten eine gedeih-
liche mündliche Verhandlung ermöglicht, und sind daher im Anwaltsprozeß vorgeschrieben.
Sie entstammen dem französischen Prozeß, wo zuerst ein Schriftwechsel von avoué zu avous
stattfindet, worauf sie die sogenannten conclusions motivées in einem Termin dem Gerichte vor-
legen 1. Bei uns werden die Schriftsätze in der Art gewechselt, daß jeder Schriftsatz vor oder
nach Zustellung an den Gegner in einem Exemplar dem Gerichte übergeben wird (§ 133 8PO.).
Ihre Bedeutung ist folgende: der Schristsatz ist eine Ankündigung dessen, was in der
mündlichen Verhandlung vorgebracht werden soll, so daß der Gegenanwalt die Punkte kennt,
die im Prozeß zur Erörterung kommen. Er ist kein Vorbringen; er ist nur eine Ankündigung
des Vorbringens, und zwar eine unverbindliche Ankündigung: seine Bedeutung ist daher nur
eine tatsächliche; aber diese tatsächliche Bedeutung ist sehr groß. Erst die Schriftsätze ermög-
lichen eine fließende, alle Teile umfassende mündliche Verhandlung, weil erst durch sie der
Rechtsanwalt in die Lage kommt, sich auf jedes Vorbringen des Gegners vorzubereiten und
sich die nötige Auskunft zu holen (§ 272 ZPO.). Die Faktoren, welche im gemeinen Prozeß
von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit geführt haben, werden hierdurch niedergehalten; jetzt
wird die mündliche Verhandlung nicht mehr dadurch zerstückelt, daß der Gegner stets erst im
folgenden Termin die Beantwortung bringen kann, — was der Tod des mündlichen Verfahrens
wäre.
2. Schriftliches Verfahren und Fristen.
§ 27. Das mündliche Verfahren schließt nicht aus, daß schriftliche Erklärungen gemacht
werden: im Gegenteil ist die Schriftform für viele Prozeßhandlungen vorgeschrieben, namentlich
für diejenigen, welche das Verfahren beginnen oder fortschieben sollen, so für die Klage, die
Berufung, die Revision, die Ladung zur Fortsetzung des Verfahrens. In diesen Fällen führt
aber die schriftliche Erklärung nicht zu einem schriftlichen, sondern zu einem mündlichen Ver-
fahren, und der auf solche Weise begonnene Kampf wird mündlich ausgefochten.
Sodann gibt es Erklärungen, welche einen bestimmten Abschluß bilden und keinen
Fortgang verlangen und darum schriftlich geschehen können: so die Rücknahme der Klage, die
Rücknahme des Einspruchs und der Rechtsmittel, so der Verzicht auf das Rechtsmittel nach
dem Urteil (ss 271, 346, 515, 514 Z PO.).
Ausnahmsweise gibt es aber auch Fälle, wo schriftliche Prozeßhandlungen nicht ein münd-
liches Verfahren einleiten, sondern dazu führen, daß ohne mündliche Verhandlung entschieden
wird. So das Gesuch der Ablehnung eines Richters (Ss 44, 46), das Gesuch um Armenrecht
(§& 118, 126), um Aussetzung des Verfahrens (§ 248), um Feststellung der Gerichtskosten
(§§5 104, 105), um Sicherung des Beweises (§§ 486, 490), um Bestimmung eines zuständigen
Gerichts (5§ 37), so die Beschwerden (5#5 569, 573), so der Antrag im Mahnverfahren (§ 690),
so der Arrestantrag (§§ 920, 921), der Antrag nach Is 109, 715; 203, 204; 225, so der Antrag
im Aufgebotsverfahren (§ 947 ZPO.), so die Anträge im Vollstreckungs- und Konkursverfahren.
Ubrigens kann das Gericht fast überall, wo ohne mündliche Verhandlung entschieden werden
kann, einen Termin bestimmen, zu dem der eine Teil den anderen zu laden hat; der Termin
1 So schon die französische Prozeßordnung vom April 1667, Titel III und XIV.