Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

294 J. Kohler. 
Aussetzung begehren, aber er kann Tätigkeiten vollziehen, die denen der Partei widerstreiten; 
er wirkt nicht nur „supplendi“, sondern auch „corrigend causa“; er kann insbesondere, wenn 
seine Partei den Anspruch anerkennt, ihn bestreiten; er kann, wenn seine Partei auf ein Rechts- 
mittel verzichtet, es doch einlegen; er kann, was die Partei zugesteht, verneinen. Von beiden 
Tätigkeiten gilt dann diejenige, welche der Parteirolle am günstigsten war. 
Eine solche streitgenössische Intervention tritt dann ein, wenn der Interwenient, ähnlich 
wie eine Partei, am Rechtsstreit beteiligt ist, wenn also das Unterliegen der Partei auch ihn 
in seinem Verhältnis zum Gegner berührt, wie es der Fall ist, wenn gesetzliche und Testaments- 
erben miteinander streiten und der Vermächtnisnehmer inteweniert, und vor allem im Fall 
des § 327 ZPO., wenn der Testamentsvollstrecker prozessiert und der Erbe als Intewenient 
eintritt. Vgl. g 2213 BGB. und vgl. unten S. 346. 
Der einfache Interwenient hat zwar auch das Recht, Parteihandlungen vorzunehmen, er 
darf aber nur ergänzend, nicht berichtigend wirken: er darf bringen, was die Partei nicht ge- 
bracht hat, er darf aber nicht mit der Partei in Widerspruch treten. Er kann beispielsweise Rechts- 
mittel einlegen, wenn die Partei es unterläßt, nicht aber, wenn die Partei darauf verzichtet 
hat 1i. Ebenso kann er eine Revisionsbegründung geben, wenn die Partei es unterließ ?, nicht 
aber, wenn die Partei auf Revision verzichtete. Diese einfache Intervention ist in Rückgriffs- 
verhältnissen gegeben, wo der Intervenient zum Prozeßgegner in keiner Beziehung steht, 
sonderm bloß zu der Partei, der er beitritt. Dieses Interesse kann ein zivilistisches sein, wenn 
nämlich ein Rückgriffsanspruch materiellrechtlich erst gegeben wird, falls die Partei im Prozeß 
unterliegt: so war es im römischen Recht bei der Eviktion, denn ein Rückgriff war nicht schon 
statthaft, wenn der Käufer nicht Eigentümer geworden war, sondern nur, wenn er wegen 
seines Nichteigentumes prozessualisch verdrängt wurde; der Prozeß hatte daher nicht etwa 
bloß die prozessuale Funktion, festzustellen, ob der Verkäufer den Käufer zum Eigentümer ge- 
macht hat oder nicht, sondern das Urteil war die zivilistische Voraussetzung des Rückgriffs- 
anspruchs. Das Interesse kann aber auch möglicherweise ein nur prozessualisches sein, indem 
der Rückgriffsanspruch auch ohne Prozeßentscheidung entsteht und die Prozeßentscheidung 
lediglich festsetzen soll, daß die Voraussetzungen des Rückgriffsrechts gegeben sind; das 
Interesse des Intervenienten ist hier nicht, zu verhüten, daß der Rückgriffsfall eintritt, sonderm 
zu verhüten, daß der behauptete (aus zivilistischen Gründen abgeleitete) Rückgriffsanspruch als 
vorhanden festgesetzt wird. So ist es z. B. nach dem BGB., wenn ein Käufer von einem 
„Vindikanten“ angegriffen wird: der Rückgriffsanspruch ist nach BGB. schon gegeben infolge 
des Kaufs einer fremden Sache, wenigstens hat der Käufer hier die Rechte der #s 326, 433, 
440 BEB., und die Intewention hat nur die Bedeutung, es zu verhüten, daß das Gericht 
zu Unrecht die zivilistischen Voraussetzungen dieses Rückgriffsverhältnisses als gegeben an- 
nimmts. 
Dem Rückgriff steht natürlich gleich, wenn jemand einen Ersatzanspruch gegen A und 
eventuell gegen B hat: der Anspruch gegen B für den Fall der Abweisung des Anspruchs 
gegen 4 ist eine Form des Rückgriffs im weiteren Sinne (Andersgriff). 
Dagegen würde ein bloß faktisches Interesse nicht genügen, z. B. wenn der verpflichtete 
B dadurch eine Erleichterung erhoffte, daß neben ihm auch noch andere Personen haften; 
dieses Interesse ist kein rechtliches Interesse und daher für die Interwention nicht genügend. 
Für die Intervention hat sich nun folgender Grundsatz entwickelt: der Intervenient kann 
in den Prozeß einwirken und dadurch zu einem günstigen Erfolge verhelfen; jedenfalls aber, 
ob der Erfolg günstig oder ungünstig ist, wird die Rechtswirksamkeit des Urteils auf ihn erstreckt, 
bei der streitgenössischen Intervention unmittelbar, bei der einfachen Interwention insofemm, 
als das Urteil eine Präjudizialfrage des Rückgriffsprozesses erledigt, die Frage nämlich, ob die 
Voraussetzung des Rückgriffsanspruchs gegeben ist. Der Gedanke ist der: wer am Prozeß teil- 
genommen hat, darf den Prozeß nicht von sich ablehnen. 
1 Die Rechtshandlungen der Intervenienten bleiben für den Prozeß bestehen, auch wenn 
der Intervenient nachträglich von der Intervention zurücktritt, RG. 23. 11. 1905 Entsch. 61 S. 286. 
„ R. 11. 1. 1911 JIW. 40 S. 223. 
* R. 28. 10. 1911 Entsch. 77 . 360 und 14. 3. 1912 Entsch. 79 S. 81, OLG. Hamburg 
7. 3. 1911 Mugdan 23 S. 96
	        
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