Zivilprozeß- und Konkursrecht. 305
deutsamen Rechtslage, um die Geschäftsfähigkeit einer Person: über diese soll und muß eine
prozeßrechtliche Entscheidung ergehen; man darf über eine der wichtigsten Rechtsstellungen des
Menschen nicht ohne Entscheidung hinwegschreiten. Allerdings gilt hier folgendes: die Ge-
schäftsunfähigkeit oder Geschäftsbeschränkung entsteht (regelmäßig) erst mit der Entmündigung,
und man könnte daher meinen, daß der Entmündigungsbeschluß nicht etwa ein vorhandenes
Recht feststelle, sondern neues Recht begründe und darum der freiwilligen Gerichtsbarkeit an-
gehöre. Das ist aber, wie ich anderwärts dargetan habe 1, unrichtig; denn daß jemand geschäfts-
unfähig oder geschäftsbeschränkt wird, hat seinen Grund in seinem Verhalten und in seiner
Geistesverfassung; daß die Feststellung des Gerichts hinzutreten muß, damit der Entmündigungs-
erfolg eintritt, ist nur eine Bedingung, nicht die Ursache; eine Bedingung, begreiflich, da man
cine für den Verkehr der Allgemeinheit und für die Stellung des einzelnen so wichtige Frage
nicht im ungewissen lassen kann.
Ist auf Entmündigung erkannt worden, so erfolgt die etwaige Beschwerung dagegen
nicht durch Beschwerde, sondern dadurch, daß der Untersuchungsprozeß in den Parteiprozeß über-
geleitet wird, in einen Parteiprozeß mit künstlichen Parteirollen, wo auf der klägerischen Seite
der Entmündigte oder eine für ihn handelnde Person, auf der Gegenseite der Staatsanwalt als
Beklagter fungieren kann, aber auch die die Entmündigung Beantragenden als streitgenössische
Intewenienten zuzuziehen sind. Der Prozeß folgt den Regeln des Familienprozesses und ist
insofern oben bereits zur Erörterung gelangt, § 664, 670, 684 8PO.
Das gleiche Verfahren kann stattfinden wegen Aufhebung der Entmündigung infolge
der Heilung, §, 679, 686 Z PO.
2. gehört hierher das Aufgebotsverfahren, von dem unten (S. 402) die Rede sein wird.
Auch bei diesem kann im Wege der Beschwerung das Verfahren in ein Parteiverfahren mit
künstlicher Parteibildung umgewandelt werden.
3. Weitere Fälle des Untersuchungsverfahrens kommen im Vollstreckungswesen vor.
Dahin gehört insbesondere das Verteilungsverfahren, das bei der „Mobiliar'vollstreckung wie
bei der Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen stattfindet (§§5 872 ff. 8PO., 5§ 105 f.,
156 ZVG.). Vgl. S. 373.
Dahin gehört das Prüfungs- und das Zwangsvergleichsverfahren im Konkurs (8§ 141 f.,
184 Konk O.). Vgl. S. 384 f.
8 46. Bei dem Untersuchungsverfahren gibt es keine Parteien, sondern nur Beteiligte;
es findet kein Kampfverhältnis statt, auch keine Klage, und es fallen daher alle Grundsätzc, die
in dieser Hinsicht entwickelt worden sind, weg. Das Gericht hat von sich aus das Nötige vor-
zukehren; es kann Tatsachen und Beweise ohne Rücksicht auf das Vorbringen der Beteiligten
berücksichtigen (Ss 653, 952 Z PO.), womit nicht ausgeschlossen ist, daß den Hauptbeteiligten
gewisse Vorrechte zustehen (S 653 Z PO.).
Besonders bedeutsam ist, daß im Entmündigungsverfahren der zu Entmündigende selbst
als Augenscheinsobjekt behandelt wird:
a) durch Vernehmung (§ 654);
b) durch Beobachtung in einer Anstalt (bis zu sechs Wochen) (5 656). Zu beiden
Zwecken kann Gerichtszwang stattfinden (vgl. § 654 ZPO.).
Im übrigen aber gilt folgendes:
1. Auch das Untersuchungsverfahren kann so geordnet sein, daß es durch den Antrag einer
partei= und prozeßfähigen Person angeregt werden muß; so das Entmündigungs-, so das Auf-
gebotsverfahren, wobei der Antrag schriftlich eingereicht oder dem Gerichtsschreiber zu Protokoll
gegeben werden kann (§§ 647, 947 B3PO.). Ist dies der Fall, so kann der Antragsteller den
Antrag mit dem Erfolg zurücknehmen, daß das Verfahren aufgehoben werden muß. Die Zurück-
nahme kann auch eine stillschweigende sein; auch eine Unterlassung kann die Wirkung der Zurück-
nahme haben (*F 954 8PO.). Sonst ist das Verfahren vom Antrag unabhängig; nur die Ver-
bringung in eine Heilanstalt zur Beobachtung bedarf der Betreibung des Antragstellers (§ 656
1 Prozeßrechtliche Forschungen S. 108 (1889).
Encyklopädie der Nechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Vand III. 20