Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

316 J. Kohler. 
formellen Weise auffaßt, nur selten vorkommen, denn alle Umstände des Prozesses werden 
den verständigen, menschenkundigen Richter dahin führen, daß er die eine Behauptung wahr- 
scheinlicher findet als dic andere; ist aber dies der Fall, so kann es sich nur darum handeln, daß 
er durch einen richterlichen Eid die Wahrscheinlichkeit zur Uberzeugung ergänzt. 
Sollte es aber schließlich zu einem Fallc kommen, daß über einen Punkt absolutes Dunkel 
herrscht und über das non liquet nicht hinausgekommen ist, so hat der Richter soweit tunlich 
nicht kraft formeller Schablone, sondern nach der Billigkeit des einzelnen Falles zu entscheiden 1. 
Hiernach kaun man die Weisheit der Redaktoren des BGB. ermessen, die durch ein 
künstliches Wortsystem, wie „Wenn .. nicht“ oder „Wenn nicht . ., die Beweislast regeln 
wollten und, um die Beweislast zu bezeichnen, die Diktion einer Menge von Paragraphen des 
Gesetzes verballhornten, — hätte man doch eher ein althebräisches Zeichen beigefügt oder die 
Beweislast durch Rot= oder Blaustift markiert! 
b) Vorbringen von Beweisen. 
§ 56. Da der Richter in vielen Fällen den Beweis braucht und auf das Vorbringen 
der Parteien angewiesen ist, so ist es in ihrem eigenen Interesse, den Beweis anzutreten, 
d. h. Beweismittel in Vorschlag zu bringen, um die Uberzeugung des Richters über das Sein 
oder Nichtsein einer Tatsache zu erwecken. Sie haben dies zu tun ohne besondere Aufforderung; 
sic haben es zu tun in gleicher Weise, wie sic die Tatsachen vorzubringen haben, ohne daß deshalb 
ein besonderer Abschnitt des Verfahrens gemacht würde (§ 282 f. ZPO.). Man neunt dies, 
nicht etwa sehr zutreffend, Beweisverbindung. 
Vom Beweisvorbringen ist grundsätzlich die Glaubhaftmachung verschieden. Sie soll nicht 
die Uberzeugung des Richters über eine Tatsache erwecken, sondern nur dem Vorbringen einen 
bestimmten Halt geben, so daß daraufhin eine verantwortliche Prozeßhandlung ergehen kann. 
Hier können nur solche Beweise vorgeschlagen werden, die sofort erhoben werden können; Eides- 
zuschiebung ist nicht statthaft, wohl aber das Erbieten zur Versicherung an Eides Statt, welche 
eine leichtere Form des Eides ist (§ 294.3 PO.) und nach der Ansicht des Reichsgerichts (Entsch. 50 
S. 360) auch schriftlich geschehen kann. Die Fälle sind aufgezählt in meinem Grundriß des 
Zivilprozesses S. 71, 72. 
e) Prozeßhandlungen mit zivilrechtlicher Wirkung. 
§& 57. Rechtshandlungen sind endlich alle Prozeßtätigkeiten mit zivilrechtlicher Wirkung, 
die sich in den Formen des Prozesses bewegen und zu Teilen desselben werden. Derartige 
zivilistische Rechtshandlungen können, sofern sie in einer ankunftsbedürftigen Erklärung bestehen, 
ebensogut im Zivilprozeß erfolgen als außerhalb. Im ersten Fall sind sie Teile des Zivilprozesses 
und hängen sic mit dem Zivilprozeß zusammen sie stehen und fallen mit dem Zivilprozeß, tragen 
alle Schicksale zivilprozessualischer Handlungen. Von diesen Rechtshandlungen kommt in Be- 
tracht 1. das Vorbringen einer zivilrechtlichen Einredez; diese ist eine zivilistische Befugnis, 
kraft der ein Anspruchbetroffener die Erfüllung des Anspruchs verweigern darf 2. Diese Be- 
fugnis kann außergerichtlich geltend gemacht werden und hat dann die verschiedensten Wirkungen; 
z. B. daß die sonst etwa zulässige Selbsthilfetätigkeit des Klägers unzulässig wird. Im 
übrigen unterscheidet sie sich dadurch von der Anfechtung, daß sie das Recht nicht zerstört: trotz 
hundertfacher Geltendmachung der Einrede bleibt das Recht in vollem Bestand, und darin liegt 
gerade das Wesen des Instituts: es soll stets die Möglichkeit bestchen bleiben, über die Einrede 
durch Verzicht zur Tagesordnung überzugehen und das Recht in seiner vollen Wirksamkeit sich 
1 UÜber die Relativität der Beweislast gibt treffende Bemerkungen Dickel, Z. f. Rechts- 
pflege in Bayern VI S. 351 f. 
: Daß diese Einrede von der anspruchaufhebenden und anspruchhindernden Tatsache im obigen 
Sinne gründlich zu unterscheiden ist, versteht sich von selbst. Doch bestand hier bis vor kurzem eine 
große Verwirrung. Früher unterschied man exceptiones juris und exceptiones facti; vgl. Azo, 
Summa in Codic. VIII 35 de except.: exceptio quandoque ponitur large. pro omni defen- 
Ssione, quac rec competit, etiamsi nulla actori competat actio, et tunc quidam vocant eam excep- 
tionem factt.
	        
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