Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

332 J. Kohler. 
schließen, was nicht sein darf!. Möglich ist allerdings folgendes: die Parteien können in einem 
zivilrechtlichen Vertrag vereinbaren, daß unter bestimmten Umständen eine zivilrechtliche 
AÄnderung in den Rechtsverhältnissen eintreten soll, also z. B. daß jemand ein und für allemal ver- 
pflichtet jein soll, die in einer Urkunde bezeichneten Gegenstände herauszugeben, ohne Rüchsicht 
auf die früheren Geschehnisse; ein derartiger Vertrag schließt allerdings eine Fülle von Beweis- 
mitteln aus, aber nicht deshalb, weil diese prozessualisch unzulässig würden, sonderm deshalb, 
weil ein neues zivilistisches Ergebnis alles dasjenige, was die Zeugen etwa aussagen könnten, 
unerheblich macht: es kommt jetzt nicht mehr darauf an, was früher galt, sondern was jetzt 
geworden ist. 
Ob derartige Verträge nicht unter Umständen zivilrechtlich anfechtbar sind, ob sie nicht 
Wucher oder Arglist enthalten, das ist eine andere Frage, die hier nicht in Betracht kommt. 
Weitere Verträge sind die Vollstreckungsverträge; dahin gehört insbesondere der Vertrag, 
welcher einen zivilrechtlichen Vertrag zu einem vollstreckkaren macht. So können unter Um- 
ständen beide Teile vereinbaren, daß ohne weiteres die Vollstreckung stattfinden kann; es muß 
sich hierbei um ein Versprechen von Geld oder anderen vertretbaren Sachen handeln, und der 
Vertrag muß in der Gestalt einer notariellen oder gerichtlichen Beurkundung abgeschlossen sein 
(5 794 Z. 5 3PO.). Ein anderer Vertrag kann dahin gehen, daß umgekehrt der Kläger ver- 
spricht, nicht vollstrecken zu lassen; ein solches Versprechen hat nur mittelbare Wirkung: die Voll- 
streckung kann trotzdem wirksam erfolgen, aber es kann eine Vollstreckungsgegenklage die Voll- 
streckung zum Fall bringen. 
Der wichtigste Prozeßvertrag ist der Schiedsvertrag. Er entzieht die Sache ganz dem 
richterlichen Austrag und bestimmt, daß die Entscheidung durch Privatleute, d. h. durch Nicht- 
richter, erfolgen soll. Ein derartiger Vertrag hat zunächst ein zivilistisches Moment, denn die 
Parteien erklären: was die Schiedsrichter sagen, soll maßgebend sein. Er ist aber zugleich 
prozessualischer Art, denn die Parteien bestimmen dabei, daß die Gerichte nicht angerufen werden 
dürfen: die Entscheidung soll lediglich im schiedsgerichtlichen Verfahren erfolgen. Dieses prozessuale 
Element ist das durchschlagende; es bewirkt, daß, wenn trotzdem ein Zivilprozeß begonnen 
würde, die Prozeßeinwendung des Schiedsvertrags entgegengehalten werden könnte. 
Große Schwierigkeit hat die Unterscheidung zwischen Schiedsrichtern und Arbitratoren 
(Schiedsmännem) gemacht 2. Die Parteien können jederzeit bei ihren zivilrechtlichen Ver- 
einbarungen irgendeinen Punkt der Festsetzung durch private Personen überlassen oder, wie 
man zu sagen pflegt, diesen Punkt „in ihr Ermessen stellen“. In solchem Fall liegt eine zivil- 
rechtliche Vereinbarung vor (Ss§s 317 f. B#.), ohne jedes prozessuale Element; es handelt sich 
darum, daß irgendein einzelner Punkt eines Rechtsverhältnisses durch den Schiedsmann be- 
stimmt werden soll, z. B. der angemessene Preis, die Größe des Schadens. Ob und welche 
Verpflichtung daraus hervorgeht, haben die Schiedsmänner nicht zu bestimmen, sie sind daher 
nicht Schiedsrichter und unterliegen nicht den Grundsätzen dieser. Die Schiedsmannsverträge 
sind rein zivilrechtlicher Natur. 
Die Prozeßverträge dagegen sind keine Verträge des Zivilrechts, sondern Verträge des 
öffentlichen Rechts. Die näheren Grundsätze über ihre Behandlung aber ergeben sich entweder 
aus der Prozeßordnung oder, sofern diese keine Bestimmungen enthält, aus der Rechts- 
ähnlichkeit des Zivilrechts, und zwar deshalb, weil eine Reihe gemeinsamer Bestimmungen des 
Vertragsrechts sich zuerst im Gebiete des Zioilrechts entwickelt hat und daher das öffentliche 
Recht beim Zivilrecht zu Gast gehen muß. 
1 Anders dachten frühere Zeiten. Vgl. Jasonde Ma#yno zu kr. 31 de jurejur. ur. 103: 
partes possunt convenire et facere, quod probationes invalidae et attestationes non rite re- 
ceptae valeant et plene probent. Ebenso glaubte man vereinbaren zu können, daß ein einzelner 
Zeuge oder gar das Wort der Partei vollen Beweis bieten solle, so Chilian König (1550), 
Practica und Prozeß LXXX, p. LXI b: Item so sich einer verpflichtet, das er eines andern schlechten 
worten gleuben wil .. welchs pact die Recht zulassen. Auch schon Panormitanus ad 
c. 5 X de dolo et contum. (2, 14) in fine. Zahlreiche Beispiele in meinen Pfandrechtl. Forsch. 
S. 246 f. 
* Gesammelte Beiträge zum Zivilprozeß S. 259 f. Vgl. auch RG. 27. Okt. 1899 Entsch. 45 
S. 3561, OLG. Hamm, 22. 10. 1910 Mugdan XXV S. 236; auch unten S. 365.
	        
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