Zivilprozeß= und Konkursrecht. 333
Prozessuale Verträge können auch stillschweigend erfolgen; es kann aber auch, wie im
Zivilrecht, Fälle geben, wo ein gewisses, wenn auch unbewußtes tatsächliches Sichunterordnen
unter ein Verhältnis die gleiche Wirkung wie ein Vertrag hat, indem schon hierdurch eine
Prozeßlage eintritt.
Dies gilt namentlich vom Zuständigkeitsvertrag: der Zuständigkeitsvereinbarung (Pro-
rogation) ist nämlich das Verhältnis gleichgestellt, welches eintritt, wenn auf die Klage hin der
Beklagte sich einläßt, ohne die Unzuständigkeit zu rügen. Dies kann als stillschweigende Pro-
rogation angesehen werden, wenn der Beklagte sich unter dem Bewußtsein der Unzuständigkeit
unterwirft, nicht aber, wenn er sich unterwirft, weil er das Gericht für zuständig hielt. Indes
hat sich schon seit dem Mittelalter der Satz entwickelt, daß die bloße Einlassung ohne Rücksicht
auf den Glauben der Partei wirke, weil derartige subtile Unterscheidungen bei bloßen Neben-
fragen nicht angehen: prozessualische Nebenfragen müssen kurz und glatt gelöst werden.
Dieser Grundsatz ist auch in die ZPO. 39 übergegangen. Die Prorogationswirkung
tritt ein, wenn der Beklagte sich einläßt, gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen von der Un-
zuständigkeit; dagegen natürlich dann nicht, wenn der Beklagte sich nicht einläßt, sondern einfach
ausbleibt: das Ausbleiben ist keine Analogie zur Prorogation 1. Dies würde zu dem ganz un-
haltbaren Zustand führen, daß, wenn der Kläger bei irgendeinem unzuständigen Gerichte
klagte, der Beklagte eintreten und die Unzuständigkeit rügen müßte, weil im Fall des Aus-
bleibens die Prorogationswirkung eintreten würde; derartige unpraktische Bestimmungen sollte
nicht nur keine Gesetzgebung annehmen, sondern auch keine Doktrin mit scholastischen Gründen
verteidigen: denn der Prozeß ist stets so zu gestalten, daß er möglichst praktische Resultate erzielt.
Heutzutage ist die Frage in Deutschland keine Frage mehr, sie wurde aber früher von unseren
Gegnern lebhaft erörtert. Auch das österreichische Gesetz hat die Frage nunmehr ausdrücklich
in diesem klaren Sinn entschieden, denn es nimmt in § 104 Zuständigkeitswirkungen nur dann
an, wenn der Beklagte in der Hauptsache mündlich verhandelt; und ebenso die ungarische
ZPO. § 50: wenn der Beklagte anwesend ist oder sich bereits in den Prozeß eingelassen hat.
Ein ähnlicher Fall, wo die Unterwerfung ohne weiteres gilt, ist bei der Klageänderung
gegeben (§ 269) und bei der Heilung heilbarer Prozeßmängel (5 295 Z PO.).
VIII. Wandlungen des Rechtsverhältnisses.
1. Allgemeines.
§ 66. Das Prozeßrechtsverhältnis kann sich wandeln und doch die gleiche Individualität
behalten. Die Wandlung kann eine obkjetive wie eine subiektive sein. Im ersten Fall spricht
man von Klageänderung, im zweiten von Rechtsnachfolge in die Prozeßrolle.
Klageänderung ist nicht jede Anderung des Klagebegehrens; das Rechtsgeschäft der Klage
hat stets eine bestimmte Elastizität, so daß die Klage erweitert und auch umgestaltet werden
kann 2. Eine Klageänderung liegt nur dann vor, wenn die Klage auf einen anderen Anspruch
überspringt. Der Grund ist der, weil es sonst möglich wäre, einem neuen Anspruch die Folgen
der Rechtshängigkeit zufließen zu lassen, die ihm gar nicht zukommen. Wenn allerdings der
Beklagte damit einverstanden ist, so ist hiergegen nichts zu sagen, denn es spricht kein begründetes
Interesse dagegen, die Rechtshängigkeit zu übertragen, und hierbei dient, wie eben bemerkt
das bloße Stillschweigen als Zustimmung (§§ 264, 269 8PO.). Die neue 3PO. aber hat auch
in solchen Fällen, wo der Beklagte widerspricht, die Möglichkeit der Klageänderung gewährt,
wenigstens in erster Instanz, sofern nur der Richter annimmt, daß die Verteidigung des Be-
klagten nicht wesentlich erschwert werde (§ 264 Z PO.) 3. Dies kann indes nicht so verstanden
werden, als ob die Rechtshängigkeit dem neuen Anspruch mit rückwirkender Kraft zukäme,
1 Die bayerische Zivilprozeßordnung bestimmte daher auch in §# 39 zutreffend: „In Ver-
säumungsfällen gilt die Vereinbarung als abgelehnt“.
Treten die Klagetatsachen erst später ein, so ist der Klageanspruch als ein später entstandener
zu berücksichtigen; vgl. OLG. Kassel 22. 2. 1908 BP. XXXIX S. 5ö14.
* Man dachte hier namentlich an Fälle, wenn zum W5 A. wegen der einen Patent-
verletzung verklagt wird, und im Prozeß andere Patentverletzungen nachgetragen werden.
Val. OL#. Braunschweig 21. 4. 1911 Mugdan 23 S. 152.