32 Otto v. Gierle.
triebe geschlossene Geschäft und die jeweilige Vermögenslage des Kaufmanns ersichtlich machen
(5 38 Abs. 1). Die empfangenen Handelsbriefe und Kopien der abgesandten Handelsbriefe
sind geordnet aufzubewahren (§ 38 Abs. 2). Ein gehöriges Inventar (Vermögensverzeichnis
mit Wertangabe) und eine Bilanz (Vergleichung von Soll und Haben mit Rechnungsabschluß)
sind zu errichten und für jedes abgelaufene Geschäftsjahr (das Inventar bei umfangreichen
Warenlagern und in ähnlichen Fällen nur alle zwei Jahre) rechtzeitig zu wiederholen (Ss 39
bis 41). Befreiungen von der Verpflichtung zu kaufmännischen Abschlüssen treten bei staat-
lichen und kommunalen Betrieben ein (§ 42), während für Aktiengesellschaften usw. besondere,
strengere Vorschriften gelten. Die Buchführung soll in lebender Sprache und Schrift statt-
finden; die Bücher sollen gebunden und paginiert, ungehörige leere Zwischenräume, Durch-
streichungen, Radierungen und ähnliche Veränderungen sollen vermieden werden (§ 43). Die
Handelsbücher, die Korrespondenz, die Inventare und die Bilanzen sind zehn Jahre lang auf-
zubewahren (§ 44). Die Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften über Buchführung wird
weder überwacht noch erzwungen. Ihre Verletzung kommt aber im Falle der Zahlungs-
einstellung strafrechtlich in Betracht (Konk O. §§ 239, 240).
Die Handelsbücher genossen von je eine höhere Beweiskraft als andere Privat-
urkunden, indem sie nicht bloß gegen, sondern auch für den Kaufmann als Beweismittel ver-
wendbar sind. Die frühere gesetzliche Fixierung ihrer Beweiskraft (regelmäßig unter Kauf-
leuten unvollständiger, durch Bucheid zu ergänzender Beweis, Nichtkaufleuten gegenüber halber
Beweis) ist beseitigt. Nicht aber die erhöhte Beweiskraft als solche (RGer. VI Nr. 101).
Die Beweisführung erfolgt durch Vorlegung der Handelsbücher, die im Laufe eines
Rechtsstreits vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen stets angeordnet werden kann;
regelmäßig ist dem Gegner nur der den Streitpunkt betreffende Inhalt und dem Gericht außer-
dem das zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit Erforderliche aufzudecken; die Offenlegung des
ganzen Inhalts kann das Gericht bei Vermögensauseinandersetzungen anordnen (§5s 45—47).
Literatur: Behrend l ### 42. Goldschmidt, Syst. S. 101 ff. Simon
Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1886. H. Rehm, Die Bilanzen der Aktiengesells asten us
1903. — Crome, Geordnete und ordnungsmäßige Buchführung, Arch. f. z. IC 1
K. Lehmann § 28. Cosack § 15. — Gehr-Lang, Wesen und System der M-
Buchführung, 1903. G. Obst, Einführung in die Buchführung, 1909.
Drittes Kapitel.
Kaufmännische Hilfspersonen.
8 27. Überhaupt. Der Kaufmann bedient sich für sein Geschäft vielfach der Hilfe anderer
Personen. Daraus ergeben sich nach außen Vertretungsverhältnisse, nach innen Vertrags-
verhältnisse.
Den Besonderheiten der handelsrechtlichen Stellvertretung ist Abschnitt V des ersten
Buches des HGB. mit der überschrift „Prokura und Handelsvollmacht“ gewidmet. Das alte
HG#. handelt davon in Bd. 1 Tit. V unter der Überschrift „Von den Prokuristen und Hand-
lungsbevollmächtigten“ ohne scharfe Sonderung von deren Vertragsverhältnissen, im übrigen
in der Lehre von den Handelsgeschäften. Unberührt davon bleibt die eigenartige gesellschafts-
rechtliche Vertretung.
Hinsichtlich des Vertragsverhältnisses sind zwei Klassen von Hilfspersonen
zu scheiden.
Die im Geschäft angestellten unselbständigen Hilfspersonen bilden das
Geschäftspersonal. Handelsrechtliche Besonderheiten gelten für das kaufmännische Hilfspersonal,
die „Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge“ (Buch I Abschn. VI, früher Tit. VI).
Als selbständige Hilfspersonen stehen dem Geschäft alle Personen gegen-
über, die ihm ständig oder vorübergehend Dienste leisten, ohne ihm anzugehören. Sie sind,
sofern ihre Tätigkeit ein Handelsgewerbe darstellt, selbständige Kaufleute. Unter ihnen be-
handelt das neue HGB. die Handlungsagenten (Abschn. VII) und die Handelsmäkler (Abschn.