358 J. Kohler.
2. wenn das Erstinstanzgericht den Schadensersatzanspruch abweist, während das Be-
rufungsgericht ihn für begründet erachtet, so m u ß das Berufungsgericht aufheben und die
Sache wegen Ermittlung der Höhe der Schadensersatzpflicht zurückverweisen (§ 538 3. 3 ZPO.).
Man will nicht, daß die ganze Schadensliquidation mit all ihrem tatsächlichen Kleinkram dem
Obergericht aufgebürdet wird.
3. Revision.
§ 83. Die Revision kann mit Erfolg nur geltend gemacht werden, wenn die Verletzung
einer sogenannten Rechtsnorm stattgefunden hat. Diese Verletzung aber kann nach den zwei
verschicdenen Seiten der Richtertätigkeit hin erfolgen. Der Richter hat 1, den Prozeß zu führen,
damit im Prozeß sich das nötige Material ergibt und die Grundlagen für das Urteil gebaut
werden; das Gericht hat sodann 2. die Endentscheidung zu geben. Nach beiden Richtungen
können Rechtsgrundsätze verletzt werden; im ersteren Falle durch unrichtiges prozessuales
Handeln; hier gilt nun der Grundsatz: nicht jeder prozessuale Fehler rechtfertigt den Revisions-
angriff, sondern nur ein solcher, der entweder die Grundlagen des Prozesses antastet und
gegen die Grundsätze verstößt, welche unsere Kulturordnung für die Entwicklung der Rechts-
streitigkeiten als unentbehrlich erachtet (näher bestimmt in § 551 Z PO.), oder ein solcher, bei
dem die Möglichkeit besteht, daß der prozessuale Fehler auf die Entscheidung einwirkt: in diesem
Falle ist der prozessuale Fehler möglicherweise die Ursache einer Unrichtigkeit der Entscheidung,
denn die Bestimmungen der Prozeßordnung sollen gerade eine Sicherheit sein für eine richtige,
sachgemäße Erledigung der Sache.
Ist dagegen der Fehler weder nach der einen noch nach der anderen Seite bedeutsam,
dann wird über ihn hinweggegangen; denn der Prozeß ist nicht Selbstzweck, sondern er hat nur
ein gerechtes Ergebnis herbeizuführen.
Außerdem kommen die geheilten Fehler nicht in Betracht; geheilt wird ein jeder nicht
grundsätzliche Fehler, wenn er nicht im nächsten Termin gerügt wird, so z. B. wenn ein Zeuge
nicht vereidigt oder eine Partei zu einem Termin nicht zugczogen worden ist (§§s 295, 530,
558 3PO.) .
Bei der Urteilsfindung handelt es sich um Festsetzung dessen, was Recht ist; diesem geht
voraus die Festsetzung dessen, was tatsächlich ist: aus der Tatsache ergibt sich in direkter und in-
direkter Folge das subjektive Recht mit seinen verschiedenen Beziehungen. Die tatsächliche Prüfung
erfolgt nach den Regeln der allgemein menschlichen Sachkunde. Auf sie erstreckt sich daher das
Revisionsverfahren nicht; es müßte denn eine unrichtige Rechtsauffassung mit hineingespielt
haben: das wäre aber dann ein Irrtum im Verfahren, §3561 8 PO. Die rechtliche Prüfung aber
unterliegt den juristischen Grundsätzen; sie kann juristisch richtig oder falsch sein: auf sie bezieht
sich daher die Prüfung des Revisionsgerichts.
Unsere deutsche ZPO. hat im Gegensatz zur Str PO. noch eine besondere Beschränkung
eingeführt, indem sie bestimmte, daß bei der Prüfung über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit
der rechtlichen Erwägungen nur sogenannte revisible Rechtsnormen in Betracht kommen
sollen (§ 549 Z PO.), d. h. nur Reichsrecht und solches Recht, welches seiner Ausdehnung halber
ähnlich wie das Reichsrecht behandelt wird: nämlich solches Landesrecht, welches im Bezirk
des Oberlandesgerichts gilt und darüber hinaus in einem anderen Staate oder in einer anderen
preußischen Provinz; oder welches durch spezielle Verordnung einem solchen Rechte gleich-
gestellt ist (V. O. und Bekanntmachung v. 28. April 1879, 11. März 1880). Diese Be-
stimmung hat große Bedenken; sie beruht allerdings auf der Erwägung, daß das Reichsgericht
nicht in der Lage sein wird, alles Partikularrecht mit der gleichen Gründlichkeit zu beherrschen.
Auf der anderen Scite ist der Satz, daß nur solches Recht in Betracht komme, welches im Bezirk
des Oberlandesgerichts gilt, unbegründet, denn damit ist alles ausländische Recht von selber
ausgeschlossen, und das ist ein Mangel; gerade wenn ausländisches Recht in Frage steht, ist
die Hilfe des Reichsgerichts am allernötigsten.
R. XII 436. Oder wenn der Eid gegen die Bestimmungen der 3#. abgenommen
wurde, RG. III 365, RG. 27. 5. 1911 Entsch. 76 S. 327, oder wenn ein Anspruch oder Antrag
nicht verlesen und doch berücksichtigt worden ist, vgl. aber auch RG. 23. 12. 1904 Entsch. 59 S. 397.