Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 363 
gemeinsamer Gerichtsstand geschaffen werden kann (5 36 Z. 3 Z3PO.) 1. So insbesondere 
im Falle mehrerer Gesamtschuldner, im Falle der Klagen gegen Hauptschuldner und Bürgen. 
Auch hier ist jeder dieser Prozesse selbständig. Daher kann z. B. in dem einen ein An- 
erkenntnis stattfinden, in dem anderen eine Leugnung; in dem einen kann die Partei erscheinen, 
in dem anderen nicht; im einen kann die Berufung eingelegt, im anderen darauf verzichtet 
werden usw. (5 61 ZPO.). Daher kann die Entscheidung in den verschiedenen Prozessen ver- 
schieden ausfallen. Nur das eine ist festzuhalten: das Gericht darf sich, wenn es auch nur 
äußerlich beide Entscheidungen in einem Urteil vereinigt, nicht selbst widersprechen; ein solcher 
Widerspruch wäre ein prozessualer Mangel: Logik ist ein wesentliches prozessuales Erfordemis 
des Urteils. Wird also z. B. im Urteil ausgesprochen, daß die Hauptschuld niemals bestanden 
hat, so kann nicht im gleichen Urteil eine Verurteilung der Bürgen ergehen, als ob eine Haupt- 
schuld bestände oder doch bestanden hätte. 
Von dieser Selbständigkeit gibt es eine Ausnahme: nämlich im Falle der sogenannten 
materiellen Streitgenossenschaft, auch notwendige Streitgenossenschaft ge- 
nannt. Hier tritt eine Beeinflussung der Prozesse ein, indem das eine Rechtsverhältnis in 
das andere hineinwirkt. Der Grund liegt in folgendem prozessualen Satz: es ist ein Be- 
dürfnis vorhanden, daß die Entscheidung in allen Prozessen einheitlich ist (ogl. S. 347). 
Daher kann kein Prozeß zu einem anderen Ergebnis gelangen als der andere; und mithin: 
was im einen geschieht, muß in gewisser Richtung in den anderen einwirken, so daß auf solche 
Weise, wie durch gegenseitiges Durchdringen, eine Art gemeinsamen Ergebnisses erwächst. 
Dieses Phänomen ist näher dahin zu kennzeichnen, daß in jedem Prozeß Rechtslagen ent- 
stehen, die den anderen mitbeeinflussen. 
Die Art und Weise, wie man das Ziel zu erreichen sucht, ist folgende: was in einem 
Prozeß Günstiges geschieht, nützt allen; was Ungünstiges geschieht, schadet keinem. Daraus hat die 
ZPO. auch den Schluß gezogen, daß, wenn von den mehreren Streitgenossen auch nur einer 
anwesend ist, kein Versäumnisurteil ergehen kann, sondern die Sache mit Wirkung für alle 
kontradiktorisch verhandelt wird (S5 62 8PO.). Dies entspricht dem französischen Prozeßrecht, 
nur mit einer Verschlechterung: das französische Recht läßt die Verhandlung noch nicht gleich 
zu, sondern erst in einem zweiten Termine; wodurch ein ähnliches Ergebnis erzielt werden 
soll, wie wenn nach Versäumung des Termins der Einspruch erhoben worden wäre, während 
bei uns der Ausbleibende durch die Gabe, die man ihm gibt, benachteiligt wird, weil man ihm 
den Einspruch und damit die zweite Verhandlung nimmt ?. 
Man hat angenommen, daß hier eine Vertretung des abwesenden Streitgenossen durch 
den anwesenden stattfände; dies ist aber eine wissenschaftlich unhaltbare Ausdrucksweise. 
Das Richtige ist vielmehr: kraft des oben angeführten Prinzips von der Einwirkung der Rechts- 
lagen wirkt das, was der Anwesende tut, so sehr in die Verhältnisse der übrigen Streitgenossen 
hinein, daß der Abwesende an dem günstigen Ergebnis der Erklärungen des Anwesenden 
teilnimmt. Daraus ergibt sich auch folgendes: man hat gefragt, ob in diesem Fall auch das 
Anerkenntnis des anwesenden (beklagten) Streitgenossen auf die übrigen wirke. Davon kann 
aber keine Rede sein: denn wenn der andere Streitgenosse abwesend ist, so tritt kraft des 
Abwesenheitsverfahrens für ihn der regelrechte Erfolg ein, daß die Tatsachen der Klage zu- 
gestanden sind, im übrigen aber der Widerspruch gegen die Klage fortbesteht; diesem gegen- 
über ist das Anerkenntnis des erschienenen Streitgenossen nicht etwas Günstigeres, sondem 
etwas Ungünstigeres, und es kann daher nicht wirken; es wirkt gar nicht, weder für den 
einen noch für den anderen Teil; es wirkt nur insoweit, als darin mittelbar ein Tatsachen- 
zugeständnis liegt. 
  
1 Diese Bestimmung ist rationell auf den ersten Fall der Streitgenossenschaft zu beschränken; 
es hätte keinen rechten Sinn, einen gemeinsamen Gerichtsstand zu schaffen für Personen, die 
einander nichts angehen und nur aus ähnlichen Schulden verhaftet sind. daher die beschränkende 
Auslegung. Sie wird natürlich von den Wortinterpreten der 8PO. wie so vieles andere be- 
kämpft. Ja, haltet euch an Worte! 
» «ProzeßrechtlicheForichungenS.37.BeinnöhatmanbiesttohmeinesHinweifesauch 
inderProzeßnovellenichtberückiichtigt,obgleichdieZPO.ineinemanderenFall,in§618, 
den richtigen Gedanlen erfaßt hat.
	        
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