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Eigentümlich ist allerdings bei dieser Streitgenossenschaft das Verhältnis des Eides be-
handelt (5 472 3PO.). Daß der Eid nur gemeinsam zugeschoben werden kann, ist ein Fehlgriff;
daß aber bei teilweiser Leistung und Nichtleistung des Eides das richterliche Ermessen eintritt, ist
eine Wendung der 3 PO. zum Besseren, sofern sie hier den Formalismus einigermaßen mildert.
Eine Trennungsbefugnis des Gerichts im Fall der materiellen Streitgenossenschaft ist
durch den Zweck der Einrichtung ausgeschlossen.
c) Widerklage.
§ 89. Eine äußerliche Verbindung von Prozessen findet auch bei der Widerklage statt,
sofem der Beklagte in äußerlicher Anlehnung an den Prozeß eine Klage gegen den Kläger
erhebt. Eine solche kann stets stattfinden, wenn sie nicht durch die Prozeßart ausgeschlossen ist
(X 595, 615, 633, 640, 641 3PO.); sie kann stattfinden, sofern das Gericht auch für die Wider-
klage zuständig ist 1 Doch wird diese Zuständigkeit in zwei Fällen ergänzt, wenn nämlich der
Widerklageanspruch mit dem Klageanspruch im Zusammenhang steht, indem beide aus einem
Rechtsverhältnisse heworgehen, oder wenn der Widerklageanspruch mit einer Einrede oder Ein-
wendung zusammenhängt, die gegen den Klageanspruch geltend gemacht wird insbesondere
mit einer Einrede der Aufrechnung oder der Zurückbehaltung; in beiden Fällen ist auch, wenn
der Hauptprozeß amtsgerichtlich, der Widerklageprozeß landgerichtlich ist, das Ganze auf Antrag
durch (unanfechtbaren) Beschluß an das Landgericht zu verweisen (§ 506 3PO.). Im übrigen
sind beide Prozesse selbständig, und es sind zwei Urteile, die gefällt werden. Allein, auch diese
unterliegen dem Gesetze, daß sie sich nicht logisch widersprechen dürfen (S. 533). Daraus
ergibt sich folgendes:
1. Wird im Hauptprozeß ein Rechtsverhältnis als nicht vorhanden erklärt, so kann nicht
im Widerklageprozeß ausgesprochen werden, daß es existiere und folgeweise der Widerbeklagte
verurteilt werde; dies ist von besonderer Bedeutung, wenn von der einen Seite eine
negative Feststellungsklage, von der anderen eine positive Feststellungsklage oder Anspruchsklage
erhoben wird 2.
2. Im Fall der Berufung gegen das Urteil in der Klagesache ist eine Anschließung bezüglich
des Urteils in der Widerklagsache möglich.
3. Eine Aufhebung des Urteils in der Klagesache kann eine Aufhebung und Zurück-
verweisung auch des Urteils in der Widerklagesache zur Folge haben 3.
In welcher Weise die Widerklage erhoben wird, ist oben (S. 291) erwähnt worden.
Eine Trennung durch das Gericht findet nicht statt, wenn der Widerklageanspruch mit
dem Klageanspruch in materiellem Zusammenhang steht (§ 145 ZPO.), während sie im Fall
des bloßen Zusammenhanges mit einer Einrede nicht ausgeschlossen ist. Vgl oben S. 286.
2. Sonstige Beziehungen von Prozessen.
a) Aussetzung wegen des Präsjudizialverhältnisses.
§ 90. Obschweben zwei Prozesse, wovon der eine einen Präjudizialpunkt für den anderen
enthält, so kann das Gericht den Folgeprozeß aussetzen, bis der Präjudizialpunkt entschieden
ist. Dies ist in die Erwägung des Gerichts gestellt: Widersprüche sind zu vermeiden (8 148
ZPPO.). Nur wenn die Präjudizialklage eine Eheklage, namentlich die Anfechtungsklage in
bezug auf eine Ehe, ist, muß dem Aussetzungsantrag stattgegeben werden (§§ 151, 152, 154
ZPO.), ebenso, wenn es sich um einen Streit über die eheliche Kindschaft handelt (§ 153,
154 3 PO.).
Eine Aussetzung bis zur Erledigung eines erst anhängig zu machenden Prozesses steht
dem Gericht regelmäßig nicht zu.
1 So nun endlich nach langen Irrtümern auch das RG. 27. Sept. 1900 (Bd. 46 S. 424).
* Uber diesen Fall vgl. RG. 5. 4. 1909 Entsch. 71 S. 69.
* Bgl. über diese Punkte auch RG. 4. Mai 1900 (Bd. 46 S. 373).