Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

364 J. Kohler. 
Eigentümlich ist allerdings bei dieser Streitgenossenschaft das Verhältnis des Eides be- 
handelt (5 472 3PO.). Daß der Eid nur gemeinsam zugeschoben werden kann, ist ein Fehlgriff; 
daß aber bei teilweiser Leistung und Nichtleistung des Eides das richterliche Ermessen eintritt, ist 
eine Wendung der 3 PO. zum Besseren, sofern sie hier den Formalismus einigermaßen mildert. 
Eine Trennungsbefugnis des Gerichts im Fall der materiellen Streitgenossenschaft ist 
durch den Zweck der Einrichtung ausgeschlossen. 
c) Widerklage. 
§ 89. Eine äußerliche Verbindung von Prozessen findet auch bei der Widerklage statt, 
sofem der Beklagte in äußerlicher Anlehnung an den Prozeß eine Klage gegen den Kläger 
erhebt. Eine solche kann stets stattfinden, wenn sie nicht durch die Prozeßart ausgeschlossen ist 
(X 595, 615, 633, 640, 641 3PO.); sie kann stattfinden, sofern das Gericht auch für die Wider- 
klage zuständig ist 1 Doch wird diese Zuständigkeit in zwei Fällen ergänzt, wenn nämlich der 
Widerklageanspruch mit dem Klageanspruch im Zusammenhang steht, indem beide aus einem 
Rechtsverhältnisse heworgehen, oder wenn der Widerklageanspruch mit einer Einrede oder Ein- 
wendung zusammenhängt, die gegen den Klageanspruch geltend gemacht wird insbesondere 
mit einer Einrede der Aufrechnung oder der Zurückbehaltung; in beiden Fällen ist auch, wenn 
der Hauptprozeß amtsgerichtlich, der Widerklageprozeß landgerichtlich ist, das Ganze auf Antrag 
durch (unanfechtbaren) Beschluß an das Landgericht zu verweisen (§ 506 3PO.). Im übrigen 
sind beide Prozesse selbständig, und es sind zwei Urteile, die gefällt werden. Allein, auch diese 
unterliegen dem Gesetze, daß sie sich nicht logisch widersprechen dürfen (S. 533). Daraus 
ergibt sich folgendes: 
1. Wird im Hauptprozeß ein Rechtsverhältnis als nicht vorhanden erklärt, so kann nicht 
im Widerklageprozeß ausgesprochen werden, daß es existiere und folgeweise der Widerbeklagte 
verurteilt werde; dies ist von besonderer Bedeutung, wenn von der einen Seite eine 
negative Feststellungsklage, von der anderen eine positive Feststellungsklage oder Anspruchsklage 
erhoben wird 2. 
2. Im Fall der Berufung gegen das Urteil in der Klagesache ist eine Anschließung bezüglich 
des Urteils in der Widerklagsache möglich. 
3. Eine Aufhebung des Urteils in der Klagesache kann eine Aufhebung und Zurück- 
verweisung auch des Urteils in der Widerklagesache zur Folge haben 3. 
In welcher Weise die Widerklage erhoben wird, ist oben (S. 291) erwähnt worden. 
Eine Trennung durch das Gericht findet nicht statt, wenn der Widerklageanspruch mit 
dem Klageanspruch in materiellem Zusammenhang steht (§ 145 ZPO.), während sie im Fall 
des bloßen Zusammenhanges mit einer Einrede nicht ausgeschlossen ist. Vgl oben S. 286. 
2. Sonstige Beziehungen von Prozessen. 
a) Aussetzung wegen des Präsjudizialverhältnisses. 
§ 90. Obschweben zwei Prozesse, wovon der eine einen Präjudizialpunkt für den anderen 
enthält, so kann das Gericht den Folgeprozeß aussetzen, bis der Präjudizialpunkt entschieden 
ist. Dies ist in die Erwägung des Gerichts gestellt: Widersprüche sind zu vermeiden (8 148 
ZPPO.). Nur wenn die Präjudizialklage eine Eheklage, namentlich die Anfechtungsklage in 
bezug auf eine Ehe, ist, muß dem Aussetzungsantrag stattgegeben werden (§§ 151, 152, 154 
ZPO.), ebenso, wenn es sich um einen Streit über die eheliche Kindschaft handelt (§ 153, 
154 3 PO.). 
Eine Aussetzung bis zur Erledigung eines erst anhängig zu machenden Prozesses steht 
dem Gericht regelmäßig nicht zu. 
1 So nun endlich nach langen Irrtümern auch das RG. 27. Sept. 1900 (Bd. 46 S. 424). 
* Uber diesen Fall vgl. RG. 5. 4. 1909 Entsch. 71 S. 69. 
* Bgl. über diese Punkte auch RG. 4. Mai 1900 (Bd. 46 S. 373).
	        
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