Zivilprozeß= und Konkursrecht. 369
sein; sonst vollstreckt er ohne Recht (§ 754 f.); nur eine einstweilige Vollstreckungshandlung kann
ohne diese geschehen (§ 845 8 PO.).; 2, der zu Vollstreckende hat das Recht, den Vollstreckungs-
titel vorher urkundlich zu sehen. Regelrecht kann daher eine Vollstreckung nur erfolgen, wenn
entweder vorher oder gleichzeitig der Vollstreckungstitel lund, wenn die Vollstreckungsklausel
eine funktionelle Bedeutung hat, auch diese unter Beifügung einer Abschrift der beweisenden
Urkunden) zugestellt wird (S 750 8PO.) 1. Doch gibt es davon Ausnahmen; eine Ausnahme
gibt es im Arrestverfahren (S. 397), eine andere im Zwangsversteigerungsverfahren (§§ 132 f.
ZVG.), und ein vorläufiger Befehl ohne Zustellung des Titels (Vorpfändung) ist bei der Forde-
rungspfändung möglich (§ 845 B8 PO.); vgl. auch § 800 Abs. 2 8BPO. Eine Ausnahme im ent-
gegen gesetzten Sinne (drei Tage Zwischenraum) bietet § 798 3PO.
II. Vollstreckungsverhältnis als Rechtsverhältnis.
g 93. Das Vollstreckungsverhältnis ist ein vom Prozeßverhältnis getrenntes, neues Rechts-
verhältnis, das wie dieses seine Voraussetzungen hat 2. Voraussetzung ist wie sonst Gerichtsbar-
keit; Voraussetzung ist Parteifähigkeit des Klägers und des Beklagten. Die Zuständigkeit ist
auch hier eine Voraussetzung in dem Sinne, daß das Gericht ohne Zuständigkeit nicht fortschreiten
soll; dagegen hat der Mangel der Zuständigkeit auch hier die Unwirksamkeit der gewöhnlichen
Rechtshandlung nicht zur Folge: die Rechtsähnlichkeit des & 7 des Gesetzes über freiwillige Gerichts-
barkeit muß hier zutreffen.
Das Vollstreckungsverhältnis ist wie das Prozeßverhältnis ein öffentlich-rechtliches Ver-
hältmis unter den Parteien, das sich als öffentliches Verhältnis fortbewegt und unter öffent-
lichem Schutze steht 3.
Die Zwangsvollstreckung findet auf Antrag statt: der Antrag ist ein Rechtsgeschäft, welches
das Vollstreckungsverhältnis begründet. Der Antrag steht aber nicht einem jeden kraft seines
Persönlichkeitsrechtes zu, sondern nur demjenigen, dessen Persönlichkeitsrecht durch einen voll-
streckbaren Titel gesteigert ist (S. 366). Der vollstreckbare Titel ist ein Mittel der Vermehrung
des Persönlichkeitsrechtes, welcher ihm die rechtliche Kraft gibt, ein Vollstreckungsverfahren
gegen eine durch den vollstreckbaren Titel bezeichnete Person einzuleiten. Der Antrag kann
zurückgenommen werden; dann ist das Verhältnis aufgelöst (§ 29 BVG.). Aber auch im Laufe
des Vollstreckungsverhältmisses finden Rechtshandlungen der Parteien und des Gerichts statt:
so zum Beispiel der Antrag auf Uberweisung der Forderung bei der Forderungspfändung,
so insbesondere die zahlreichen Anträge bei der Zwangsvollstreckung von Grundstücken, zum
Beispiel die Anträge in betreff des geringsten Gebots, der Versteigerungsbedingungen,
namentlich der Zahlungsfristen, des Ausbietens einer Mehrheit von Grundstücken, der Sicher-
heitsleistung des Steigerers, der Anberaumung eines neuen Versteigerungstermins, sodann der
Widerspruch gegen ein Ubergebot und die Beschwerdeführung (§5 59, 60, 63, 67, 72, 85,
97 Z.).
Auch hier findet ein Fortschreiten statt, auch hier entstehen Rechte, und zwar dingliche
Rechte, in welchen das Verhältmis sich entwickelt. Ein Recht ist das Vollstreckungspfandrecht:
das Pfändungspfandrecht bei beweglichen Gegenständen, die Sicherungshypothek und das
Beschlagnahmerecht bei der Liegenschaftszwangsvollstreckung (§§ 804, 866 ZPO., 55 10 Z. 5,
11, 23 B VW.). Ein schließliches Recht entsteht durch den Zuschlag (s 90 Z VG.)“.
1 Sonst soll die Vollstreckung wirkungslos sein, nachträgliche Zustellung soll die Vollstreckung
nur ex nunc heilen; so R. 18. 4. 1888 Entsch. 20 S. 433, vom 2. 1. 1890 Entsch. 25 S. 3687!
Dies wäre unglaublich formalistisch und würde dem bösen Glauben des Schuldners, der nur auf
einen solchen verborgenen Fehler lauerte, Tür und Tor öffnen. In der Tat hat er nur das Recht,
nach §§ 766, 732 8 PO. Einwendungen zu erheben. Das genügt.
: Prozeß als Rechtsverhältnis S. 113.
· So auch, wenn die Sache eines Dritten, auch wenn die eigene Sache des Pfandgläubigers
gepfändet würde, RG. 17. 4. 1912 B. 79 S. 242. Diese öffentlich-rechtlichen Charakter habe ich
in Prozeß als Rechtsverhältnis S. 32 schon vor Jahren betont.
* Hierüber vgl. meinen Aussatz in Grünhut XXXIII S. 561f.
Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band III. 24