Zivilprozeß- und Konlursrecht. 391
Deutschland hat sich demgegenüber etwas zurückhaltend erwiesen. Allerdings hat auch
das deutsche Recht die Pfändungsklausel gekannt!, und vor allem hat auch der Landfrieden
Abrechts I. ausdrücklich erklärt, daß die eigenmächtige Pfändung auf Grund derartiger
Urkunden keine Verletzung des Landfriedens seis.
Später allerdings hat das deutsche Recht diese ganze Entwicklung vergessen, und von
einer folgerichtigen Weiterbildung wie in Frankreich ist keine Rede gewesen. Wir mußten
die vollstreckbare Urkunde erst wieder aus Frankreich holen und haben dies recht unvoll-
kommen getan.
Selbst die deutsche Z8PO. erkennt die Notariatsurkunde nur dann als vollstreckbar an,
wenn sie die Unterwerfungsklausel enthält, und wenn sie auf eine bestimmte Summe Geld oder
anderer vertretbaren Sachen geht, also durchaus nicht in vollem Umfang.
Doch die neuere Zeit ist mehr und mehr auch in Deutschland der von mir schon vor Jahren
erstrebten Ausdehnung der vollstreckbaren Verträge günstig.
Eine Erweiterung enthält schon die Z PO.: gerichtliche Vergleiche sind vollstreckbar, auch
wenn die oben bezeichneten zwei Bedingungen nicht gegeben sind (§ 794 Z. 1 und 2 B8PO.),
und dahin gehören auch die Vergleiche vor den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten (§5 57
Gew G#. und § 16 Kaufm GG.) und vor dem Innungsschiedsgericht (S 91b GewO.). Sodann
sind vollstrecchbar die vorgängigen Vereinbarungen und die Auseinandersetzungen mehrerer
Erben im Erbteilungsverfahren vor dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (5 98 Ges. über
freiwillige Gerichtsbarkeit) und ebenso die von den Beteiligten anerkannte und darum gerichtlich
bestätigte Dispache (§§8 155, 158 dess. Ges.). Von besonderer Bedeutung aber ist es, daß in
diesen beiden Fällen das Stillschweigen des zum Widerspruch aufgeforderten Beteiligten der
Zustimmung gleichgestellt ist (§# 86—98, 153—158 dess. Ges.), und darin liegt der gewaltige,
dem neuzeitigen deutschen Rechte zu verdankende Fortschritt! Hierher gehört auch der Fall
des Vergleichsbürgen im Konkurs, gegen den die Vollstreckung statthaft ist, sofermn ein Voll-
streckungstitel gegen den Gantschuldner besteht (loben S. 385) und der Bürge auf die Voraus-
klage verzichtet hat (#S 194 KO.).
Noch weiter geht das Genossenschaftsgesetz: der im Konkurs aufgestellte Teilungsplan:
Vorschuß-, Zusatz-, Nachschußberechnung wird trotz des Widerspruchs für vollstreckbar erklärt,
unter dem Vorbehalt der Vollstreckungsgegenklage (§#§## 107 ff. Genoss Ges.).
Von besonderer praktischer Bedeutung ist der vollstreckkbare Vertrag bei der Hypotheken-
und Grundschuldbestellung: hier kann die Unterwerfungsklausel dahin lauten, daß auch der
künftige Eigentümer des Grundstücks in Vollstreckung gezogen werden kann, nur muß dieser
Zusatz, um wirksam zu sein, im Grundbuch eingetragen werden (s 800 8PO.). Damit ist die
Hypothekenverfolgung wesentlich erleichtert (ugl. 5 1147 BG.).
Ein Fall allerdings, wo ein vollstreckbarer Titel dringend nötig wäre, fehlt: es ist der
Fall des (auf den Schiedsvertrag gebauten) Schiedsspruchs; dieser ist in manchen Prozeßordnungen
mit Recht zum vollstreckbaren Titel gemacht; nicht so in der BPO. Wenn auch der Schieds-
spruch in § 1040 einem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt wird, so gilt dies nur in bezug auf die
zivilrechtliche Erledigung der Sache, nicht in bezug auf die Vollstreckungsfähigkeit: eine Voll-
streckung kann erst stattfinden aus einem gerichtlichen Urteil, welches auf Grund dieses Schieds-
spruches ergeht; aus einem Urteil, welches zwar von der ZPO. § 1042 als Vollstreckungsurteil
bezeichnet wird, aber dieselbe Natur hat, wie das Urteil, welches die Rechtsbeständigkeit
des Vergleichs festsetzt; mit anderen Worten: der Schiedsspruch gibt nur einen zivilrechtlichen
Anspruch, und eine Vollstreckung findet erst statt, wenn dieser Anspruch durch ein Urteil fest-
gestellt worden ist. Ebenso ist auch die Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs nichts weiter
als eine Klage auf Feststellung dessen, daß der Schiedsspruch wirkungslos ist (§s 1041, 1043
3PO.).
1 Vgl. hierüber Planitz, Vermögensvollstreckung im Mittelalter I S. 286f.
Landfrieden Albrechts v. 1301 (M. G. Constit. IV 1 p. 101): a. 9. Man pfendet öch
wol umbe kuntliche korngulte und wingulte und zinse und gät daz öch niht an den lantfriden.
Anders sol nieman den andern pfenden ane gerihte. Het sich aber ieman verbunden mit sinen
brieven, daz men in pfenden sule ane gerihte, den sol men pfenden an sime eigene, an sime erbe,
an sime lehene und an sime pfande.