Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 393 
Ursprünglich führte das Mahnverfahren nur zur Vollstreckung, nicht zur Feststellung: 
auf Grund des Nichtwiderspruchs wurde vollstreckt; über die Schuld konnte anderwärts gestritten 
werden. Ein Umschwung vollzog sich in Deutschland, als die Schriftsteller des Kammergerichts- 
prozesses die Theorie des mandatum cum und sine clausula aufstellten, wobei sie eine gewisse 
Sachprüfung des Richters verlangten und auch im Falle des Widerspruchs ein besonderes Ver- 
fahren folgen ließen 1. So bildete sich der Gedanke, daß im Falle des Nichtwiderspruchs nicht bloß 
Vollstreckung, sondern auch Feststellung eintrete, und diese Gestaltung hat im neuen Recht über- 
wogen? sie findet sich in Partikulargesetzen des 19. Jahrhunderts, z. B. in der badischen Z PO., 
und so auch in dem Reichszivilprozeß. Diese Entwicklung hat es nötig gemacht, daß eine besondere 
richterliche Tätigkeit eingeschoben wurde: der Vollstreckungsbefehl (seinerzeit in Baden Liquid- 
erkenntnis genannt), der die richterliche Feststellung bringt und den Charakter eines Urteils 
annimmt. Von ihm aus erst ist die Vollstreckung möglich . 
Nach unserer Z PO. ist das Verfahren statthaft bei Ansprüchen auf Geld oder vertretbare 
Sachen, und zwar auf eine bestimmte Summe oder Quantität (also nicht etwa auf einen Betrag 
nach Ermessen eines Dritten oder nach Ermessen des Richters). Der Anspruch kann auch ein 
Anspruch zugunsten eines Dritten sein, und auch jemand, der nicht für sich, sondern für einen 
Dritten anspruchsberechtigt ist, kann sich des Mahnverfahrens bedienen, vorausgesetzt, daß die 
Person des Leistungsempfängers individuell bestimmt wird und nicht erst durch Wahl oder Er- 
messen bestimmt werden muß. Obligationsrechtlich braucht der Anspruch nicht zu sein, er kann 
auch auf einem Wertrecht (Grundschuld, Hypothek) beruhen (5 688 f. ZPO.). 
Die Beschränkung des Mahnverfahrens auf die genannten Arten von Ansprüchen wird 
man wohl gelten lassen müssen. Mißlich aber ist es, daß die ZPO. keine Quantitätsschranken 
gibt. Hiernach ist es möglich, Zahlungsbefehle auf Tausende, ja, auf Millionen zu erlassen. Das 
sind aber Werte, welche sich nicht füglich auf so einfache prozessuale Formeln bringen lassen; 
eine solche unbeschränkte Möglichkeit stellt eine Gefahr für große Vermögen dar: ein Unterlassen 
des Widerspruchs und Einspruchs aus Versehen oder Leichtsinn kann ein ganzes Vermögen 
kosten. Es wäre sehr zweckmäßig gewesen, etwa eine Summe, wenn nicht von 300, aber vielleicht 
von 1000 Mark, als Meistsumme festzusetzen. 
Nur unter diesem Vorbehalt kann auch der Gestaltung zugestimmt werden, wonach der 
Vollstreckungsbefehl zu gleicher Zeit eine Entscheidung enthält, die für die Parteien maßgebend 
sein soll: es ist zwar im allgemeinen ein richtiges System, wenn man nicht aus einem Prozeß 
zwei macht, mithin die Sache erledigt und nicht weiteren Streitigkeiten Raum gibt; allein dies 
doch nur, wenn das Verfahren mit der Größe der Interessen einigermaßen im Verhältnis steht. 
Im übrigen ist die Prozedur, welche Unfolgerichtigkeiten und Unzweckmäßigkeiten ent- 
hielt, neuerdings gemäß den von mir gemachten Vorschlägen verbessert worden. Von altersher 
gilt der Grundsatz, daß bei Widerspruch des Beklagten das Verfahren in das ordentliche Ver- 
fahren übergeht, in der Art, daß der Zahlungsbefehl wie eine Klage erscheint, transit in vim 
eitationis 4. Diesem einleuchtenden Gedanken hat die 8 PO. entsprochen. Ist die Sache amts- 
gerichtlich, so steht es jeder Partei zu, einen Termin im ordentlichen Verfahren zu beantragen; ja, 
dieser kann eventuell auch schon bei dem Antrag auf Zahlungsbefehl beantragt werden. Ist die 
Sache landgerichtlich, so kann jeder Teil die Verweisung an das Landgericht beantragen, und 
dieser Antrag kann auch schon bei dem Antrag auf Zahlungsbefehl oder bei dem Widerspruch 
eventuell gestellt werden (§§ 696, 697 Z PO.). 
Der Vollstreckungsbefehl ist also vollstreckbarer Titel und zugleich Versäumnisurteil in der 
Hauptsache. Der Einspruch greift ihn nach beiden Richtungen an. Erkennt das Amtsgericht 
den Einspruch für begründet, so ordnet es Termin an, jedoch kann in landgerichtlichen Sachen 
jeder Teil die Verweisung an das Landgericht beantragen (5§ 700 8PO.). 
1 Reichsabsch. 1594 5& 80, Jüngster RA. 81. 
* Uber die Entwicklung in Preußen vgl. Koch, Preuß. Zivilprozeß, S. 725 f. 
* Es bedarf eines besonderen Antrags nach Ablauf der Widerspruchsfrist; ein eventueller 
Antrag auf Lollstreskungsbefehl. zugleich mit dem Antrag auf Zahlungsbefehl, ist sinnwidrig; 
vgl. darüber JIW. 40 S. 
*Wie eine citatio * vorbentlichen Prozeß; ein Ubergang in den Veckselorozes ist nicht 
zulässig und würde die Sache unzweckmäßig verwickeln, RG. 13. 3. 1912 B. 79 S
	        
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