Zivilprozeß- und Konkursrecht. 399
die Maßnahme sich objektiv als unzutreffend erweist ( 945 B8 PO.). Dies versteht sich von
selbst: ein vollstreckbarer Titel auf solch schwankender Grundlage kann nur unter vollständiger
Gefahrübemahme erfolgen. Eine Gesetzgebung, welche das Gegenteil besagte (früher hat
man das Gegenteil angenommen), würde die menschlichen Interessen schwer schädigen 7.
Die Schadenersatzpflicht entspringt aus dem Prozeß, ist aber im übrigen eine zivilifstische
Pflicht und folgt den zivilistischen Grundsätzen 2.
Zweites Buch.
Richterliche Fürsorge.
sm 115. Der germanische Grundsatz der richterlichen Fürsorge zeigt sich insbesondere im
Institut der Sicherung des Beweises oder des Beweises zum ewigen Gedächtnis.
Sobald nämlich Gefahr vorhanden ist, daß durch weiteren Ausschub das Beweiemittel verloren
geht, z. B. der Augenschein, der Zeugenbeweis, so kann auf Antrag eine Aufnahme des
Beweises vor der Zeit begehrt werden, sei es im Laufe des Prozesses, sei es vor dem Prozeß-
beginn; dies auch dann, wenn der Gegner noch gar nicht ermittelt ist. Im letzten Fall kann ein
Prozeßstandschafter für den unbekannten Gegner bestellt werden; sonst ist der Gegner selbst
zu der Beweiserhebung zu laden (Ss 485, 491, 494 8PO.).
Völlig germanisch ist, daß bei beiderseitiger Ubereinstimmung die Beweiserhebung auch
ohne Dringlichkeit stattzufinden hat (5 489), denn möglicherweise kann hierdurch ein Streit
außergerichtlich erledigt werden; ebenso die Bestimmung, daß, wenn Mängel einer gekauften
Sache oder eines gelieferten Werkes oder der Zustand eines Transportgutes festgesetzt werden
soll, ohne weiteres die Beweisaufnahme begehrt werden kann, wodurch zweifelhafte Ver-
hältnisse beglichen und künftige Streitigkeiten verhütet werden können, (§ 488 Z PO.; vgl.
Ss 450 f., 482 f., 493, 524, 633 f. B6., §§8 388, 407, 417 HGB.). Ergänzend tritt 5 164
Gs G. ein (ss 1034, 1067, 1372, 2122 B., 438, 464, 608 H#GB. u. a.).
Drittes Buch.
Soziale Erstreckung der Prozeffolgen.
I. Allgemeines.
§ 116. Das germanische Recht hat den Grundsatz, daß das Urteil nur unter den Parteien
wirkt, nicht mit voller Liebe angenommen. Aus den Zeiten der Volksversammlungen ist der
Gedanke übriggeblieben, daß eine Entscheidung mehr oder minder für alle gelten müsse, denn
es sei Sache aller Beteiligten, nötigenfalls in den Prozeß einzutreten und das Urteil zu be-
einflussen; ein jeder, der davon getroffen sei, habe darum in das Verfahren einzuwirken: der
Gedanke, daß der Prozeß ein individuelles Rechtsverhältnis ist, konnte nicht völlig durchschlagen,
denn der Prozeß sollte zugleich ein Verhältnis sein, das die ganze Volksversammlung anging.
Dieser Gedanke ist in solchen Ländern, wo die germanischen Gedanken des Prozesses länger
bestanden hatten, immer noch mächtig geblieben, ja, er ist im Begriff, sich neue und immer
neue Bahnen zu erkämpfen. Wir haben im allgemeinen das römische System angenommen,
1 Die Frage der Entschädigung ist lediglich nach objektiven Gesichtspunkten zu bemessen.
Bestand die Forderung nicht, so war die Arrestierung eine ungerechtfertigte, auch wenn für ihr
Vorhandensein die triftigsten Gründe sprachen. War die Forderung nicht gefährdet, so war die
Arrestierung gleichfalls eine unberechtigte, auch wenn sie nach allen Umständen als gefährdet
schien. Das Reichsgericht hat sich nicht immer auf den richtigen Standpunkt gestellt, z. 8 31. 1.
1908 Entsch. 67 S. 365.
Daher ist Aufrechnung statthaft, RG. 19. 6. 1911 Entsch. 76 S. 406; daher gilt die Ver-
jährung des 4 853, RG. 3. 12. 1910 JW. 40 S. 163.