402 J. Kohler.
verurteilt wird, einmal gegenüber dem bisherigen Kläger und einmal gegenüber dem Ge-
ladenen. Derartige Fälle sind häufig: man denke sich den Fall eines Schuldners, der von einem
unsicheren Zessionar oder einem unsicheren Erben in Anspruch genommen wird. Allerdings
geht das Bestreben der neuen Zeit dahin, derartigen Unsicherheiten möglichst zu steuem, so
durch § 410 BGB. und durch den Erbschein; indes gibt es immer noch Fälle genug, wo der
Beklagte die Gefahr der Doppelzahlung befürchten kann. Hier ist das Mittel gegeben wie im
ehemaligen germanischen Recht: er zieht den anderen Interessenten herbei und verlangt, daß
er sich äußert und seine Rechte geltend macht, ansonst er sich dem schwebenden Prozeß fügen
und sich dessen Ausgang gefallen lassen muß. Bei uns führt dieses Verfahren, falls der Ge-
rufene eintritt, zu einer besonderen Art der Hauptinterwvention: der Gerufene tritt als Haupt-
intewwenient ein, und die Sache entwickelt sich ähnlich wie bei der gewöhnlichen Hauptinter-
vention; nur mit dem Unterschied, daß die Klage des Hauptintewenienten in der mündlichen
Verhandlung, nicht schriftlich erhoben wird (§ 75 8PO.) 1. Daraufhin kann der Beklagte durch
Hinterlegung des Streitgegenstandes den ersten Prozeß erledigen und es dem Hauptintervenienten
und Erstkläger überlassen, ihre Ansprüche zum Austrag zu bringen 2.
Eine ähnliche Streitverkündung ist unentbehrlich im Fall des § 1380 BGB. Klagt der
Man, so muß der Beklagte die Möglichkeit haben, der Frau den Streit zu verkünden mit der
Wirkung, daß sie sich als streitgenössische Interwenientin anschließen kann, jedenfalls aber durch
die Entscheidung gebunden wird.
Eine solche Ladung ist unserem Prozeß weiter bekannt im Vollstreckungsverfahren, und
zwar erstens bei der Forderungsvollstreckung: hier können sämtliche pfändenden Gläubiger zu-
gezogen werden, wenn es sich um die Feststellung darüber handelt, ob die Forderung des ge-
pfändeten Schuldners gegen den Drittschuldner besteht oder nicht. Die Herbeiziehung geschieht,
wenn der betreffende pfändende Gläubiger sich nicht freiwillig als Streitgenosse (streitgenössischer
Intewenient) anschließt, dadurch, daß ihn der Drittschuldner zum Termin lädt; es ist dies ein
Herbeirufen zur streitgenössischen Interwention in der Form der Ladung (5 856 Z PO.).
Ein zweiter Fall tritt bei der Liegenschaftszwangsvollstrecuung ein. Hier bilden die voll-
streckenden Gläubiger und die am Grundstück dinglich Berechtigten, insbesondere die Grundbuch-
gläubiger, aber auch die sonst Sachberechtigten, auch die Mieter und Pächter, soweit ihnen ein
ius ad rem zusteht, eine Zwangsgemeinschaft der „Beteiligten“ (§9 3V.), und zwar gehören
hierher die aus dem Grundbuch sich ergebenden von selbst, die übrigen, sofern sie sich anmelden
(und nötigenfalls ihr Recht glaubhaft machen). Ihnen muß der Versteigerungstermin mit-
geteilt und die Zwangsverwaltung bekanntgegeben werden (§§ 41, 146); sie sind im Ver-
steigerungstermin zu hören (§ 66); sie sind zu den Gläubigeranträgen befugt, können bei
der Bestimmung des geringsten Gebotes und der Versteigerungsbedingungen mitwirken; sie
sind beschwerdeberechtigt usw. (§§ 59, 60, 63, 67, 72, 85, 97 ZVG.). Doch gibt es Aus-
nahmen (§§ 67, 68).
IV. Aufgebotsverfahren.
§ 120. Das Aufgebotsverfahren soll zur Feststellung von Rechten und Rechtsverhält-
nissen gegenüber etwaigen unbekannten Prätendenten dienen, welche jemanden in seinem Recht
oder Rechtsfrieden beeinträchtigen könnten. Das Verfahren ist ein Untersuchungsverfahren;
das Gericht prüft nach freiem Ermessen; es ist zwar von der Antragstellung abhängig, unab-
hängig aber in den Mitteln der Wahrheitserforschung. Ein Hauptmittel ist die öffentliche Auf-
forderung etwaiger Anspruchsberechtigten, sich zu melden, ansonst sie ausgeschlosseu werden.
Tritt eine der Personen, welche durch das Verfahren betroffen sein können, auf, dann geht
das Verfahren in einen regelmäßigen Prozeß über (§8 953, 969 3PO.). Meldet sich niemand,
dann tritt das Ausschlußurteil ein, und es wird ausgesprochen, daß ein entgegengesetztes Recht
1 Gesammelte Beiträge S. 280 f., M ; ndelsohn-Bartholdy, Rhein. Zeitschr. IV
1 ff., RG. 18. 5. 1906 Entsch. 63 S. 319
2 Behauptet der Kläger des ersten Prozesses, daß der Beklagte zur Hinterlegung nicht befugt
sei, so kann er den Prozeß mit dem Beklagten fortsetze ien und insbesondere Schadenersatz verlangen,
weil er hinterlegt, nicht geleistet hat.