Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Grundzüge des Handelsrechts. 41 
das Handelsgesellschaftsrecht in bewußtem Gegensatz zum römisch beeinflußten bürgerlichen 
Recht als einen Hauptbestandteil des kaufmännischen Sonderrechts. 
In neuester Zeit sind die germanischen Grundgedanken auch außerhalb des 
Handelsrechts im Gemeinschafts= und Genossenschaftsrecht siegreich wieder vorgedrungen. 
Auch das BG. hat sich ihnen nicht verschlossen. Allein wenn auch hiermit die Harmonie mit 
dem bürgerlichen Recht zurückgewonnen ist, so hat doch das Handelzgesellschaftsrecht seine be- 
sondere Struktur und Stellung behauptet. Nach wie vor finden hier die Prinzipien der ge- 
samten Hand und der Genossenschaft eine eigentümliche und sehr intensive Ausprägung. 
2. Begriff und Arten. Das alte H#B. widmete dem Handelzgesellschaftsrecht 
zwei Bücher, in deren einem (B. II) es sich mit den „Handelsgesellschaften“ (HG.) beschäftigte, 
während es in dem anderen (B. III) „von der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu 
einzelnen Handelsgeschäften für gemeinsame Rechnung“ handelte. Als HG. regelte es (Tit. 1) 
die „offene Handelsgesellschaft“ (o. HG.), hierauf (Tit. 2) die „Kommanditgesellschaft“ (KG.) 
und (Abschn. 2) als ihre Unterart die „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ (K#G. a. M.), endlich 
(Tit. 3) die „Aktiengesellschaft“ (AG.). Ihr gemeinsames Merkmal bestand darin, daß sie per- 
sonenrechtliche Vereinigungen zum Betriebe eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher 
Firma waren; das Unterscheidungsmerkmal der drei Grundformen lag in der Haftungsart, 
indem die Gesellschafter bei der o. HG. sämtlich unbeschränkt, bei der KG. teils unbeschränkt, 
teils beschränkt, bei der AG. sämtlich beschränkt haften. Die im dritten Buch zusammen- 
gefaßten Gebilde der „stillen Gesellschaft“ (st. G.) (Tit. 1) und der sog. „Gelegenheitsgesell- 
schaft“ (Tit. 2) stimmten darin überein, daß sie firmenlose handelsrechtliche Gesellschafts- 
verhältmnisse rein obligationenrechtlicher Struktur waren. 
Die spätere Gesetzgebung verschob den Begriff der HG. Indem das RG. vom 11. Juni 
1870 die AG. und die KG. a. A. unabhängig vom Gegenstande ihres Unternehmens für H. 
erklärte, beseitigte es das Merkmal des Betriebes eines Handelsgewerbes als Begriffsmerkmal 
der HG. Als eine gleichfalls nicht durch Handelsgewerbebetrieb bedingte neue Form der H. 
wurde durch RG. vom 20. April 1892 die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (G. m. b. H.) 
geschaffen. Daneben waren schon vorher die eingetragenen Erwerbs= und Wirtschaftsgenossen- 
schaften (e. G.) als den HG. verwandte Verbände mit kaufmännischer Firma ausgestaltet worden, 
bei denen das RG. vom 4. Juli 1868 allen Mitgliedern eine unbeschränkte Haftung auferlegte, 
das RG. vom 1. Mai 1889 aber verschiedene Haftungsarten zuließ. 
Das neue H#B. hat die KG. a. A. aus einer Unterart der KG. in eine Nebenform der 
A. verwandelt und die Gelegenheitsgesellschaft gestrichen. Es widmet dem Handelzsgesell- 
schaftsrecht nur noch ein Buch (II). In den ersten vier Abschnitten regelt es als „Handelsgesell- 
schaften“ die o. HG., KG., AG. und KG. a. A. Im fünften Abschnitt handelt es von der st. G., 
die eines eigenen Buches nicht würdig schien, um deretwillen aber, da sie keine HG. ist, die 
Uberschrift des Buches nun lautet: „Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft". Die G. m. 
b. H. und die e. G. haben ihre Stellung behalten; nur in einzelnen Punkten sind die sie be- 
treffenden Spezialgesetze durch das EG. zum HG. abgeändert. 
Nach geltendem Recht umfaßt somit der Begriff der „Handelzgesellschaft“ die personen- 
rechtlichen Vereinigungen mit gemeinschaftlicher Firma, die entweder wegen der Art ihres 
Gewerbetriebes oder wegen der Form ihrer Organisation als Kaufleute gelten. Als besondere 
handelsrechtliche Gesellschaft rein obligationenrechtlicher Struktur besteht daneben nur noch 
die stille Gesellschaft. 
3. Wesen. Während die ältere Jurisprudenz das rechtliche Wesen der Handelsgesell- 
schaften nicht scharf ins Auge faßte, vielmehr auf sie die nach Bedürfnis zurechtgestutzten all- 
gemeinen Begriffe des Gesellschaftsrechts anwandte, schlug die neuere Theorie weit auseinander- 
führende Wege ein. Die romanisierende Richtung (bes. Thöl, Gerber, v. Hahn) 
machte Ernst mit der Zugrundelegung des rein obligationenrechtlichen Begriffes der römischen 
societas und behalf sich mit allerlei den Kern nicht berührenden Modifikationen. Mehr und 
mehr jedoch sprang sie bei der AG. zur römischen universsitas über. In vollem Gegensatze hierzu 
führte eine spezifisch handelsrechtliche Richtung nach französischem Vorbild bei jeder Handels- 
gesellschaft den Begriff einer besonderen gesellschaftlichen Persönlichkeit durch (so Schiebe, 
Randa, Endemann, v. Völderndorff, Eccius, Kohlern). Von anderer
	        
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