Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

42 Otto v. Gierke. 
Seite her suchte man das Wesen der Handelsgesellschaften in erster Linie aus der Struktur des 
Gesellschaftsvermögens als Zweckvermögen oder Sondewermögen zu erklären (so Kuntze, 
Dietzel, Rösler, Bekker, zum Teil auch Laband). Die Ernererer der germanisti- 
schen Verbandsauffassung (zuerst Beseler und Bluntschli) führten die deutschrechtlichen 
Begriffe der gesamten Hand und der Genossenschaft in das Handelsrecht ein und brachen endlich 
der Auffassung Bahn, daß die Handelsgesellschaften teils Gesellschaften, teils Körperschaften, 
allein in dem einen Falle Gesellschaften mit einer durch die gesamte Hand vermittelten Per- 
soneneinheit, in dem anderen Falle Körperschaften mit einer durch die Genossenschaft bewirkten 
sonderrechtlichen Beteiligung der Mitglieder seien. Auf diese Weise wahrten sie sämtlichen 
Handelsgesellschaften das gemeinsame Merkmal der personenrechtlichen Gemeinschaft und 
machten es verständlich, wie hier trotz des begrifflichen Gegensatzes Gesellschaften und Körper- 
schaften im Leben sich einander nähern und nicht nur unter einem Gattungsnamen zusammen- 
gefaßt, sondern auch mit ähnlichen Mitteln stufenweise aufgebaut werden können. 
Für das heutige deutsche Recht ist die Lösung der Frage nach dem rechtlichen 
Wesen der Handelzsgesellschaften dadurch in feste Bahnen gewiesen, daß sie unter die Grund- 
typen des bürgerlichen Rechtes fallen und subsidiär den Vorschriften des BGB. unterworfen 
sind. Die o. HG. ist eine Gesellschaft, deren Sonderrecht durch das Recht der Gesellschaft des 
bürgerlichen Rechtes ergänzt wird (§ 105 Abs. 2), sich aber von diesem durch eine ungleich stärkere 
Ausprägung der gesamten Hand unterscheidet. Die KG. ist eine Abart der o. H#G. (§ 161 Abs. 2). 
Dagegen sind die AG., die KG. a. A., die G. m. b. H. und die e. G. rechtsfähige Vereine (§6 
Abs. 2), für die zwar ein im wesentlichen erschöprendes Sonderrecht gilt, auf die jedoch in Er- 
mangelung besonderer Bestimmungen die Vorschriften des BG. über Vereine Anwendung 
finden. Als Vereine sind sie, auch wenn sie Gesellschaften heißen, juristische Personen, aber 
juristische Personen mit besonders stark ausgeprägter genossenschaftlicher Struktur. Sie zer- 
fallen wieder in zwei Gruppen, indem die AG., die KG. a. A. und die G. m. b. H. als Kapital- 
genossenschaften erscheinen, während die e. G. den Charakter der wirtschaftlichen Personal- 
genossenschaft wahrt. 
Durchaus abweichend vom Wesen der Handelsgesellschaft ist das Wesen der stillen 
Gesellschaft, die ein Gesellschaftsvertrag mit Ausschaltung der gesamten Hand ist. Sie 
gehört an sich überhaupt nicht in das Handelspersonenrecht, sondern lediglich ins Handels- 
obligationenrecht. Doch ist von ihr des geschichtlichen Zusammenhanges wegen im Anschluß 
an die Kommanditgesellschaft zu handeln. 
Literatur: Rösler, Z. f. H. IV 252 ff. Bekker, ebenda S. 500 ff. Gierke, 
Genossenschafter 1 965 ff., II 936 f. Endemann, Die Entwicklung der HG., 2. Aufl. 1872. 
Renaud, Über die H.. 1872. Lastig, Z. f. HR. XXIV 387 ff. Endemann, Studien 
1 341 ff. F. A. G. S Schmidt, Handelsgesellschaften in den deutschen Stadtrechtsquellen des 
MI. (Unters. z. d. St. u. RG. H. XV), 1883. M. Weber, Zur Geschichte der HG. im M., 
1889. Poppen heim 8 f. PR. XXXVI 85 ff., XXXVII 255 ff. Goldschmidbt, 
UG. 1 253 ff. K. Ad ler, Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des Gesellschaftsrechts, 1894. 
Rehme, Z. f. HR. XIII 367 ff. Hacman, ebenda LXVIII 439 ff., LXIX 47 ff. 
Auerbach, Das Gesellschaftswesen, 1861. Strey, Das deutsche Handelsgesellschafts- 
recht, Abt. I, 1873. Lastig b. Endemann I 310 ff. Kuntze, Z. f. HPR. VI I77 f. Gierke, 
Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887. Laband, Z. f. H. XXX469ff., 
XXXI 1ff. Schlodtmann, ebenda XXXVII 456 ff. Goldschmidt, Alte und neue 
Formen der HG., 1892. Thöl 188 87ff. Behrend l # 61 ff. Gierke, Handels- 
gesellschaftsrecht und bürgerliches Recht, Arch. f. b. R. XIX 114ff. K. Lehmanns 54ff. 
Gareis #§ 23 ff. Cosack 188 ff. 
# 34. Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts für Handelszwecke. Eine Gesellschaft, 
die weder Handelsgesellschaft noch stille Gesellschaft ist, ist auch dann, wenn sie Handelszwecke 
verfolgt, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. 
Dies gilt namentlich für jede Gesellschaft, deren Zweck nicht im Betriebe eines Handels- 
gewerbes, sondern nur in der Vornahme einzelner Handelsgeschäfte für gemeinsame Rechnung 
bestcht (z. B. Konsortien und Unterkonsortien, Spekulationsgesellschaften usw.). Die besonderen 
Regeln, die das alte HGB. für die sog. Gelegenheitsgesellschaft aufstellte, sind 
weggefallen. Mit zwei Ausnahmen (Vowerzinsung der Einlagen mit 6 v. H. nach Art. 268 
und aktive Korrealität nach Art. 269 Abs. 2) sind sie in das gemeine Recht übergegangen. 
 
	        
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