Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Grundzüge des Handelsrechts. 13 
Aber auch eine auf gemeinsamen Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtete Gesellschaft 
ist dann eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, wenn das Handelsgewerbe das eines Minder- 
kaufmanns ist. Eine solche Gesellschaft kann durch Vertrag einer o. HG. oder KG. ange- 
nähert, niemals aber angeglichen werden. 
Ebenso bleibt ein Verein, der nicht schon seiner Form wegen Kaufmannseigenschaft 
hat, auch dann ein Verein des bürgerlichen Rechts (oder etwa, wie die Gewerkschaft, eines nicht- 
kaufmännischen Sonderrechts), wenn er ein Handelsgewerbe betreibt. Dies gilt auch für den 
nicht rechtsfähigen Verein. 
Literatur: Über die Gelegenheitsgesellschaft vgl. Lastig in Endemanns Handb. 1 
143; Renaud, Das Recht der stillen Gesellschaft und der Vereinigung zu einzelnen Handels- 
geschäften für gemeinsame Rechnung, 1885, S. 191 ff. (von Laband); Goldschmidt, 3Z. f. 
HR. XV 299 ff.; Böhlau, ebenda XVIII 404 ff.: Sydow, ebenda XIX 426 ff. — Ferner: 
P. Knoke, Das Recht der Gesellschaft nach dem BGB., 1901. Gierke, Vereine ohne Rechts- 
fähigkeit, 2. Aufl. 1902. Cosack F 229. 
Zweites Kapitel. 
Die offene Handelsgesellschaft. 
§ 35. Begriff, Geschichte und Wesen. 
1. Begriff. Die o. HG., die auch Kollektivgesellschaft so Schweiz. OR. Tit. 24) oder 
Maskopei genannt wird, ist die Urform der eigentlichen HG. Sie liegt vor, sobald bei einer 
Gesellschaft, deren Zweck in dem Betriebe eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher 
Firma besteht, die Haftung keines Gesellschafters beschränkt ist (S 105 Abs. 1). 
2. Geschichte. Die o. HG. entstand mit dem Aufblühen des Handels in den mittel- 
alterlichen Städten aus familienrechtlicher Wurzel. Zuerst pflegten wohl Brüder, die das er- 
erbte Geschäft gemeinsam fortführten, die unter ihnen bestehende Gemeinschaft zur gesamten 
Hand den Bedürfnissen des Handelsverkehrs anzupassen. Dann aber wurde bei der Aufnahme 
eines Sohnes in das Geschäft und bald auch unter Fremden eine ähnliche Gemeinschaft be- 
gründet. Mit der Ersetzung des Familienbandes durch das Vertragsband war die o. HG. ge- 
boren. Schon im Mittelalter breitete sie sich weit aus und gewann im wesentlichen ihre heutige 
Gestalt. Der Gebrauch einer Kollektivmarke und eines Kollektivnamens, die fortschreitende 
Sonderung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Teilhaber, die Ausbildung 
einer eigenartigen gesellschaftlichen Vertretung und vor allem die Ergänzung der Gesamthaftung 
durch eine allmählich immer mehr verschärfte Sonderhaftung jedes Gesellschafters waren die 
wichtigsten Entwicklungsmomente. Auf dieser geschichtlichen Grundlage wurde das Recht der 
o. HG. in den neueren Handelsgesetzbüchern geregelt. Im alten HGB. fand es eine erschöpfende 
Normierung. Das neue HG# stellt nur zahlreiche besondere Rechtssätze für die o. H#G. auf 
und verweist im übrigen auf das bürgerliche Gesellschaftsrecht (§ 105 Abs. 2). Sachlich ist hier- 
mit eine wesentliche Anderung nicht eingetreten, da die ergänzenden Vorschriften des BG. 
in der Hauptsache mit den beseitigten Vorschriften des alten HGGB übereinstimmen. 
3. Wesen. Die o. HG. ist eine Gesellschaft. Sie ist so wenig wie die Gesellschaft des 
bürgerlichen Rechts eine juristische Person. Allein sie ist eine Gesellschaft, bei der das Prinzip 
der gesamten Hand in stärkerem Maße durchgeführt ist als bei der Gesellschaft des bürgerlichen 
Rechts. Als ständige Vereinigung für gemeinsamen Handelsgewerbebetrieb schlingt sie ein 
festeres und innigeres personenrechtliches Band. Ihre durch einen besonderen Namen gekenn- 
zeichnete Personeneinheit ist nach außen und nach innen kräftiger entwickelt. Im Zusammen- 
hange hiermit ist ihr Gesellschaftsvermögen ein strenger geschlossenes Sondervermögen. Auf 
der anderen Seite aber ergreift und bindet sie in energischerer Weise die Einzelpersönlichkeit, 
indem sie für jeden Gesellschafter eine unbeschränkte und unbeschränkbare Sonderhaftung gegen- 
über den Gesellschaftsgläubigern begründet. 
In diesem Haftungsverhältnis liegt der Wesensunterschied der o. HG. von allen anderen 
Typen der HG. Jeder Gesellschafter setzt hier notwendig seine ganze vermögensrechtliche Per- 
sönlichkeit für den Gesellschaftszweck ein. Er trägt außerdem regelmäßig Kapital und Arbeit
	        
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