Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

46 Otto v. Gierke. 
schaftsvermögen als Ganzem pfänden (Z PO. 5 859) und behufs Realisierung der Pfändung 
die Gesellschaft ohne Kündigungsfrist kündigen (BGB. 3 725 Abs. 1), sondern nur nach erfolg- 
loser Zwangsvollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners dessen gesell- 
schaftlichen Auseinandersetzungsanspruch im Wege der Pfändung sich überweisen lassen und 
hierauf die Gesellschaft mit sechsmonatiger Frist zum Ende des Geschäftsjahrs kündigen (HG#B. 
§l 135). Endlich findet über das Vermögen der o. HG. ein (bei der Gesellschaft des bürgerlichen 
Rechts nach richtiger Ansicht ausgeschlossener) besonderer Konkurs statt, durch dessen Eröffnung 
das Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gesellschaftsgläubiger behufs abgesonderter Be- 
friedigung gebunden wird (KonkO. s§ 198—200, altes HGB. Art. 122). 
2. Die Gesellschafter als einzelne sind in der o. HG. mitenthalten und 
treten nach außen in ihr als Mitprinzipale auf, so daß jeder von ihnen Kaufmann ist, keiner 
von ihnen im Gesellschaftsprozeß Zeuge sein kann (RGer. V Nr. 16), der böse Glaube eines 
von ihnen die Gesellschaft bösgläubig macht, die Ausländereigenschaft auch nur eines von ihnen 
den Schiffen der Gesellschaft das Recht zur Führung der Reichsflagge entzieht (RG. v. 22. Juni 
1899 § 2) usw. 
Die Rechte der o. HG. kann trotzdem gemäß dem Gesamthandsprinzip der einzelnen 
Gesellschafter niemals, weder ganz noch anteilsweise, für sich geltend machen. 
Alle Verbindlichkeiten der o. HG. aber sind nicht nur Gesamtverbindlichkeiten, 
sondern zugleich Sondewerbindlichkeiten jedes Gesellschafters. Denn unmittelbar aus der 
Eigenschaft als offener Gesellschafter ergibt sich eine Dritten gegenüber nicht wegzubedingende 
persönliche Haftung für die Gesellschaftsschulden (5 128), die auch jeden neuen Gesellschafter 
in Ansehung älterer Gesellschaftsschulden rechtsnotwendig ergreift (#S 130). Diese Haftung ist 
direkt, solidarisch, unbeschränkt und prinzipal. Der Gesellschaftsgläubiger kann also nach freier 
Wahl statt oder neben der o. HG. unter ihrer Firma den einzelnen Gesellschafter angreifen. 
Nur während eines Gesellschaftskonsurses wird, wenn zugleich der Konkurs über das Privat- 
vermögen eines Gesellschafters eröffnet ist, dessen Sonderhaftung in bloße Ausfallshaftung 
verwandelt (Konk O. § 201; nach altem HGB. Art. 122 auch ohne Eröffnung des Privatkonkurses). 
Die neben der Haftung aller zu gesamter Hand stehende gesamtschuldnerische Haftung 
der einzelnen ist eine gesellschaftliche Sonderhaftung. Um ihrer gesellschaft- 
lichen Natur willen kann der Gesellschafter einerseits Einwendungen, die nicht in seiner Person 
begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie auch von der Gesellschaft erhoben werden 
könnten, anderseits einredeweise sich auf ein der Gesellschaft zustehendes Anfechtungsrecht oder 
Aufrechnungsrecht berufen (§ 129 Abs. 1—3). Weil aber seine Haftung Individualhaftung ist, 
kann er auch in seiner Person begründete Einwendungen (z. B. die Einrede des Erlasses oder 
der Stundung oder den Einwand der Aufrechnung mit einer eigenen Forderung) geltend machen 
und braucht daher die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen auf Grund eines nur gegen die 
Gesellschaft ergangenen Urteils nicht zu dulden (§ 129 Abs. 4; ebenso gegen Wach, Cosack 
u. a. schon die frühere Praxis). Doch genügt die Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung der 
Gesellschaft zur Begründung der Klage gegen jeden Gesellschafter. 
Literatur: v. Gorski, Geschäftsführung und Vertretung bei der o. H., 1888. 
Römer, Abh. I1 149 ff. v. Hahn, Z. f. HR. XXIII 630 ff. Goldschmidt, ebenda 
XXVII 35 ff. Wach, Handb. des Zivilproz. 1 522 ff., Z. f. Zivilproz. IX 433 ff. Eccius, 
Z. f. HPR. XXXII 1 sf. Sommer b. Gruchot XXX 358 ff. F. Milch, Die Haftung für 
die Schulden der o. HG., 1892. Hellwig, Anspruch und Klagerecht S. 266 ff. Pollitzer, 
Z. f. HR. LXIX 313 ff. 
§ 38. Innere Rechtsverhältnisse. Im Verhältnis der Gesellschafter zueinander gelten 
in zwiefacher Hinsicht andere Grundsätze, als sie der Ordnung der äußeren Rechtsverhältnisse 
zugrunde liegen. Einmal ist hier die Vertragsfreiheit, die nach außen geringen Spielraum 
hat, grundlätzlich anerkannt, so daß die gesetzlichen Regeln nur subsidiär anzuwenden sind (§ 109). 
Sodann überwiegt hier, während nach außen die Einheit der Gesellschaft im Vordergrunde 
steht, das Sonderrecht der Gesellschafter, ohne daß freilich ein ungesonderter Gesamtbereich 
fehlte, in dem die Personeneinheit auch nach innen wirksam wird. 
1. Willensgemeinschaft. Als personenrechtliche Gesellschaft erzeugt die o. H#G. 
eine ständige Willensverbundenheit.
	        
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