Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

60 Otto v. Gierke. 
Errichtung unverbindlich gewordenen Zeichnungsschein wird der Zeichner der trotzdem ent- 
standenen AG. gegenüber als Mitglied verpflichtet, wenn er sich an der Beschlußfassung über 
die Errichtung oder später am Leben der AG. tatsächlich als Mitglied beteiligt hat (§ 189 Abs. 4). 
Die Errichtung selbst erfolgt bei der Sukzessivgründung, nachdem sämtliche Aktien gezeichnet 
sind und die Anmeldung bei Gericht erfolgt ist, durch eine gerichtlich berufene und geleitete 
Gründungsversammlung; der Errichtungsbeschluß fordert qualifizierte Mehrheit (mindestens 
ein Viertel der Aktionäre und ein Viertel des Grundkapitals) und bei wesentlichen Satzungs- 
änderungen Einstimmigkeit (§ 196). 
3. Erschwert ist die QOualifizierte Gründung. Sie liegt namentlich vor, wenn Ein- 
lagen, die nicht in barem Gelde bestehen, gemacht oder Anlagen oder andere Vermögens- 
gegenstände von der AG. übernommen werden sollen; aber auch schon, wenn für einzelne Aktionäre 
besondere Vorteile bedungen oder eine Gründerentschädigung oder ein Gründerlohn zu Lasten 
der AG. ausgemacht werden. Vorgeschrieben sind stets gehörige Festsetzung in der Satzung 
(§ 186), Aufnahme in den Zeichnungsschein (§ 189), besondere Prüfung (§ 193), Einreichung 
der Verträge und sonstiger Erklärungen bei der Anmeldung (&8 195 Abs. 2 Z. 2), Zustimmung 
der Mehrheit der nicht begünstigten Aktionäre in der Gründungsversammlung (§ 196) und 
Mitveröffentlichung (§ 199); im Falle der nicht baren Einlage oder der UÜberahme außerdem 
Aufdeckung und Rechtfertigung in einer Erklärung der Gründer (§ 191) und Prüfung durch 
besondere Revisoren (§F 192 Abs. 2). 
4. Bei jeder Art der Gründung muß eine Prüfung des Herganges durch den hierzu 
schon im Gründungsstadium zu bestellenden Aussichtsrat und den Vorstand und, wenn dazu 
Gründer oder begünstigte Aktionäre gehören, überdies durch besondere Revisoren stattfinden 
und über das Ergebnis Bericht erstattet werden (§§# 190—1984). 
5. Einer Staatsgenehmigung bedarf es an sich nicht; ist sie aber wegen Aus- 
gabe von Kleinaktien oder wegen des Gegenstandes des Unterehmens (z. B. Versicherung) 
erforderlich, so ist die Beibringung der Genehmigungsurkunde Voraussetzung der Eintragung 
und somit der Entstehung der AG. (§ 195 Z. 6). 
6. Das Grundkapital soll, bevor die AG. ins Leben tritt, mindestens teilweise reali- 
siert sein; bei der Anmeldung ist daher zu erklären, wieviel auf die bar zu leistenden Einlagen 
eingezahlt ist; der bar eingezahlte Betrag muß ein Viertel des Nennbetrages (bei Ausgabe über 
pari außerdem den Mehrbetrag) erreichen (§ 195 Abs. 3). 
7. Die Anmeldung zum Handelsregister muß durch sämtliche Gründer, Vorstands- 
und Aufsichtsratsmitglicder in gehöriger Form unter Beibringung der Satzung und der sonst 
erforderlichen Urkunden und Erklärungen erfolgen (§ 195). Bei der Simultangründung be- 
zweckt sie alsbaldige Eintragung der errichteten AG., bei der Sukzessivgründung gerichtliche 
Einberufung der Gründungsversammlung. 
8. Die Eintragung erstreckt sich auf die wesentlichen Tatbestände (§ 198), die Be- 
kanntmachung noch auf weitere Punkte (5 199). Für Zweigniederlassungen gelten besondere 
Vorschriften (5 201). 
Mit der Eintragung ist die AG. entstanden. Vorther besteht sie als solche nicht. 
Wird vorher in ihrem Namen gehandelt, so haften, wie nach BG#B. F 54 bei jedem nicht rechts- 
fähigen Verein, die Handelnden persönlich und mehrere als Gesamtschuldner (§ 200). Die AG. 
entsteht durch die Eintragung, wenn auch die Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Ein- 
tragung nicht erfüllt waren. Dagegen besteht die eingetragene ô#. nicht, wenn eine wesent- 
liche Grundlage ihres Daseins fehlt (vgl. unten §& 55 Z. 3). 
9. Seit der Novelle von 1884 besteht eine besondere gesetzliche Gründerverantwort- 
lichkeit. Die Gründer haben die ihnen als Errichtungsorganen obliegenden Funktionen mit der 
Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanncs zu erfüllen und haften persönlich und solidarisch, 
soweit sie nicht ihre Schuldlosigkeit nachweisen, für unrichtige oder unvollständige Angaben, sowie 
für den Ausfall aus wissentlicher Annahme der Zeichnung eines zahlungsunfähigen Aktionärs; 
mit ihnen haften die Gründergenossen (Empfänger verheimlichten Gründergewinns, Gehilfen 
böswilliger Schädigung, Ankündiger von Aktien in den ersten zwei Jahren); subsidiär haften 
Vorstands= und Aufsichtsratsmitglieder aus unsorgfältiger Prüfung (§§ 202—204). Die Ersatz-
	        
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