Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

74 Otto v. Gierke. 
Oritter Titel: Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 
§ 58. Begriff, Geschichte und Wesen. 
1. Begriff. Die G. m. b. H. ist ein in das Handelsregister eingetragener Verein, 
bei dem sämtliche Mitglieder mit Einlagen auf ein Stammkapital beteiligt sind und kein Mit- 
glied für die Vereinsverbindlichkeiten persönlich haftet. Sie kann für jeden gesetzlich zulässigen 
Zweck errichtet werden (& 19), ist aber stets Handelsgesellschaft (S 13 Abs. 3). 
2. Geschichte. Diese Gesellschaftsform ist durch das RG. v. 20. April 1892 (neue 
Fassung v. 20. Mai 1898) geschaffen worden, um neben der A#. eine freiere und einfachere 
Form der Kapitalgenossenschaft darzubieten. Ihr Recht lehnt sich an das Aktiengesellschafts- 
recht an, hat aber auch aus dem Recht der o. H#G., der eingetragenen Genossenschaft und der 
bergrechtlichen Gewerkschaft geschöpft. Die neue Form hat schnell eine außerordentliche Ver- 
breitung erlangt und sich vielfach als geeignetes Gewand für gesunde Gemeinschaftsbildungen 
bewährt, aber auch mancherlei bedenkliche Erscheinungen ins Leben gerufen. Eine Nachbildung 
des deutschen Gesetzes mit einigen Verbesserungen ist das österreichische Gesetz über G. m. b. H. 
vom 6. März 1906. 
3. Wesen. Die G. m. b. H. ist gleich der AG. eine als rechtsfähiger Verein anerkannte 
Kapitalgenossenschaft. Sie ist aber einerseits eine Genossenschaft mit weit unvollkommenerer 
Körperschaftsverfassung und noch stärker entwickelten Sonderrechtsverhältnissen, steht daher 
einer bloßen Gesellschaft näher. Anderseits ist ihr kapitalistischer Bau minder scharf ausgeprägt, 
weil die Verkörperung der Mitgliedschaften in Wertpapieren und somit deren Unterwerfung 
unter den fahrnisrechtlichen Verkehr wegfällt. Diese Vereinsform kann für beliebige Zwecke 
benutzt, sie kann von zwei Gesellschaftern für ein geringfügiges gemeinschaftliches Unternehmen 
verwandt, aber auch für ein Großunternehmen mit zahlreichen Beteiligten gewählt werden, 
sobald nur auf die Ausgabe börsenmäßiger Anteilscheine verzichtet wird. 
Literatur: Goldschmidt, Alte und neue Formen der Handelsgesellschaft, 1892. 
Komm. v. Neukamp (4. Aufl. 1907): Hergenhahn (5. Aufl. v. Liebmann, ; 
Parisius u. Crüger (5. Aufl. 1911); Maurer (2. Aufl. Birkenbihl 1899); R. (Esser 
K# Aufl. 1898); Foksch (2. Aufl. 1899); Staub (1903, 2. Aufl. v. Hachen burg, 1906). 
Ros enthal, Handwörterb. der Staatswiss. IV 706 ff. K. Lehmann #9797—104. 
F7 areis s 20. Eo sack 218. — K. Grünhut, Die Gesellschaften mit bbeschränkter Haftung 
nach österr. R., 1906. — Gutachten über die Vereinheitlichung des deut. u. österr. Rechts von 
2. . ar rp K# von v. Pittreich, Verh. des XXXI. Deut. Juristentagen (1912) II 
§ 59. Rechtsgrundsütze. 
1. Grundlagen. Die G. m. b. H. beruht gleich der AG. auf der doppelten Grund- 
lage eines in Anteile zerlegten Kapitals von bestimmtem Nennbetrage, das hier Stammkapital 
heißt, und der genossenschaftlichen Organisation der Teilhaber. 
Das Stammkapital muß mindestens 20 000 Mark betragen; es muß gedeckt sein 
durch Stammeinlagen, deren jede mindestens 500 Mark betragen muß, aber auch auf einen 
höheren durch 100 teilbaren Betrag in Mark lauten kann (5 5). Jeder Stammeinlage entspricht 
ein verhältnismäßiger Geschäftsanteil (§ 14). 
Die genossenschaftliche Organisation muß durch einen Gesellschaftsvertrag, 
der in Wahrheit Vereinssatzung ist, hergestellt sein; er bedarf des Abschlusses in gerichtlicher 
oder notarieller Form und der Unterzeichnung durch sämtliche Gesellschafter und muß die Firma 
und den Sitz der Gesellschaft, den Gegenstand des Unternehmens und die Beträge des Stamm- 
kapitals und jeder Stammeinlage enthalten (§§ 2—3). Die Firma muß, wenn nicht eine mit 
einem fremden Geschäft erworbene Firma fortgeführt wird, Sachfirma oder Kollektivfirma 
sein, stets aber den Zusatz „mit beschränkter Haftung“ aufnehmen (§ 4). Unerläßlich ist ferner 
die Bestellung eines oder mehrerer Geschäftsführer, sei es im Gesellschaftsvertrage oder sei es 
doch vor der Anmeldung (§ 0). 
2. Entstehung. Die G. m. b. H. entsteht mit der Eintragung in das Handelsregister; 
wer vorher in ihrem Namen handelt, haftet persönlich (§ 11). Die Eintragung erfolgt auf ge- 
hörige Anmeldung, bei der der Gesellschaftsvertrag, die Legitimation der Geschäftsführer und
	        
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