Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Grundzüge des Handelsrechts. 5 
Ideen auf den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, Stuttgart 1891. 
— Ph. Heck, Weshalb besteht ein von dem bürgerlichen Rechte gesondertes Handelsprivatrecht? 
Archiv für civ. Praxis 1902, S. 438 ff. (etwas einseitige Charakterisierung des Handelsrechtes als 
„Recht des rechtsgeschäftlichen Massenbetriebes“). — K. Lehmann, Die Entwicklung des deut- 
schen Handelsrechts, Z. f. HR. III #1 ff. 
§ 3. Geschichte. Dem Altertum war ein besonderes Handelsrecht fremd. Ins- 
besondere haben die Römer ein Handelsrecht nicht ausgeschieden. Commercium ist der Verkehr 
überhaupt, für die mercatura gilt kein Sonderrecht. Der Handel bedurfte keines Sonder- 
rechts, weil ihm das jus commune, zumal das jus gentium, genügte. Das römische Privatrecht, 
als Stadtrecht geboren, paßte sich seit der Entwicklung Roms zur Handelsstadt und in erhöhtem 
Maße seit seiner Erhebung zum Weltrecht den Bedürfnissen des Handels an und stellte ihm 
namentlich ein geeignetes Obligationenrecht zur Verfügung. Daneben fehlte zu umfassen- 
deren Sonderrechtsbildungen der Stoff, weil bei aller Großartigkeit des Handels doch dessen 
Organisation einfacher als im Mittelalter und heute war. Es gab keinen geschlossenen Handels- 
stand. Im Zusammenhange mit der Sklavenwirtschaft waren manche später verselbständigte 
Handelszweige, die den Zwischengeschäften dienen, nicht ausgebildet und die Handelsgesell- 
schaften unvollkommen entwickelt. Vereinzelte, auf den Handel bezügliche besondere Rechts- 
bildungen, wie die actio institoria und tributoria, fanden im gemeinen Rechte Unterkunft. 
Auch im Mittelalter gab es ursprünglich kein Handelsrecht. Allein das nunmehr 
zur Herrschaft gelangte germanische und auch das von ihm befruchtete romanische Recht war 
dem Handel möglichst unangemessen. Es war auf dem Lande geboren und auf die Verhält- 
nisse von Rittern und Bauern zugeschnitten. Dem Zustande der Naturalwirtschaft mit un- 
bedeutender Ergänzung durch Tauschhandel entsprechend, beruhte es auf der Voraussetzung, 
daß der Grundbesitz der Träger der sozialen Stellung, das bewegliche Vermögen und die 
Arbeit zu seinem Dienste bestimmt und an ihn gebunden seien. Durchweg war es auf Boden- 
ständigkeit der Rechtsverhältnisse berechnet und setzte mit seinem schwerfälligen und strengen 
Formalismus und seinen Einschränkungen der Vertragsfreiheit dem beweglichen Verkehr un- 
überwindliche Hindernisse entgegen. Dazu kam, daß das kanonische Recht seinen kirchlichen 
Geboten die gleichen Anschauungen zugrunde legte und insbesondere das handelsfeindliche 
Verbot des Zinsennehmens erließ. 
So entstand im späteren Mittelalter, als mit dem Aufblühen der Städte der Handel 
hinreichend erstarkt war, um seinen Anspruch auf ein für ihn angemessenes Recht durchzusetzen, 
das Handelsrecht als Sonderrecht. Handel und Gewerbe waren hier zu ausschlaggebenden 
Mächten, das bewegliche Kapital war selbständig, die Arbeit war frei geworden. Ein neues 
Recht also war unerläßlich. Die Kaufleute aber hatten sich zu einem freien, in der Stadt 
herrschenden oder mitherrschenden, genossenschaftlich organisierten Berufsstande erhoben und 
besaßen daher nach dem germanischen Prinzip der Autonomie Befugnis und Macht, sich ein 
besonderes Recht zu schaffen. War doch die damalige Welt von Sonderrechten voll. Zuerst 
brach sich hier, wie überall, das neue Recht in der Form des Gewohnheitsrechtes Bahn. Bald 
wurden auch einzelne Sätze in Satzungsform ausgesprochen, sei es nun in städtischen Statuten 
oder sei es in besonderen Statuten der Kaufmannsgilden. Vielfach wurden auch besondere 
Handelsgerichte gebildet, deren Praxis das junge Handelsrecht befestigte und entfaltete. Am 
frühesten vollendete sich das Handelsrecht in Italien. Von den anderen romanischen Ländern 
gingen Katalonien und Frankreich voran. Aber nicht viel später und durchaus selbständig 
erblühte auch in Deutschland und den Niederlanden, dann in England ein besonderes Handels- 
recht. In den romanischen Gebieten fand eine Anknüpfung an das römische Recht statt, von 
der auf germanischem Boden noch nicht die Rede war. Allein die lebendigsten und eigen- 
artigsten Institute des Handelsrechts erwuchsen auch bei den romanischen Völkern aus germa- 
nischer Wurzel. So besteht denn auch bei mancher Verschiedenheit Übereinstimmung in den 
Grundzügen. 
In der Neuzeit setzte sich die Entwicklung auf der gewonnenen Grundlage fort. Mit 
der Rezeption drang in Deutschland das italienische Handelsrecht ein. Auch erlangte das 
römische Recht wachsenden Einfluß auf die handelsrechtliche Begriffsbildung. Doch blieb mehr 
als auf anderen Gebieten der nationale Kern unversehrt. Langsam aber bereiteten sich
	        
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