Grundzüge des Handelsrechts. 87
Dem Handelsrecht eigentümlich sind die gesetzlichen Pfandrechte gewisser
Kaufleute an Waren, die auf Grund bestimmter Handelsgeschäfte in ihren Besitz gelangt sind.
Es sind dies die später zu besprechenden Pfandrechte des Kommissionärs (8 397), Spediteurs
(F8 410), Lagerhalters (§ 421) und Frachtführers (§ 440). Die Verkürzung der Wartefrist auf
eine Woche tritt hier zugunsten des Spediteurs und des Frachtführers schon ein, wenn das
Speditions= oder Frachtgeschäft auf ihrer Seite Handelsgeschäft ist, setzt dagegen beim Kom-
missionär und beim Lagerhalter ein beiderseitiges Handelsgeschäft voraus (§ 368 Abs. 2). Unter
mehreren gesetzlichen Pfandrechten an demselben Gute besteht eine gesetzliche Rangordnung,
der zufolge die durch Versendung oder Beförderung des Gutes entstandenen Pfandrechte den
auf andere Weise entstandenen Pfandrechten und unter ihnen die jüngeren den älteren vor-
gehen, während es unter den anderen beim Altersvorzuge bleibt (§ 443).
Literatur: Laband, Z. f. HR. IX 225 ff., 425 ff. Goldschmidt, Handb. II
872ä ff. Endemann im Handt. II 64 ff. K. Lehmann)) 121, 124. Cosack- 129—30.
§ 70. Wertpapiere. Wertpapiere sind Urkunden, an die das in ihnen verbriefte Recht
seinem Bestande nach geknüpft ist. Das vollkommene Wertpapier ist ein unentbehrliches
Mittel für den Erwerb, die Übertragung und die Geltendmachung des verbrieften Rechts; es
gibt aber unvollkommene Wertpapiere, bei denen nur die Verwertung durch Übertragung
oder Ausübung durch das Papier bedingt ist. In dem Maße, in dem die Idee des Wert-
papiers durchgeführt ist, erscheint das Recht als im Papier verkörpert und folgt daher den sachen-
rechtlichen Schicksalen des Papiers. Anderseits erfährt, weil allein das verbriefte Recht dem
Papier seinen Wert verleiht, das Sachenrecht bei den einzelnen Arten der Wertpapiere
mancherlei Abwandlungen. Insoweit die Wertpapiere als bewegliche körperliche Sachen den
Gegenstand des Handels bilden, werden sie vom Handelsrecht den Waren gleichgestellt.
1. Die Wertpapiere zerfallen nach der Abstufung der Rechtsversachlichung in Rekta-
papiere, Orderpapiere und Inhaberpapiere.
a) Rektapapiere sind Wertpapiere, die eine bestimmte Person und nur sie als be-
rechtigt nennen; ihre sachenrechtlichen Schicksale bleiben durch die Schicksale des je nach seiner
Beschaffenheit ungleich behandelten verbrieften Rechtes bedingt. Unter ihnen haben Namen-
aktien, deren Indossierbarkeit ausgeschlossen ist, und Ladescheine ohne Orderklausel ihre Heimat
im Handelsrecht, Konnossemente, Bodmereibriefe und Seeversicherungspolicen ohne Order-
klausel im Seerecht, Rektawechsel und Rektaschecks im Wechsel- und Scheckrecht; das BGB.
gestaltet Anweisungen auf Geld oder andere vertretbare Sachen und Hypotheken-, Grundschuld-
und Rentenschuldbriefe als Rektapapiere aus.
b) Orderpapiere sind Wertpapiere, die eine bestimmte Person oder jede andere
Person, die von ihr Order haben werde, als berechtigt bezeichnen; bei ihnen ist die Herrschaft
des Sachenrechts über das verbriefte Recht durch die Verknüpfung der Ordererteilung mit dem
Papier in Gestalt des Indossamentes erweitert. Orderpapiere sind dem gemeinen bürger-
lichen Recht unbekannt; für das BGB. sind sie Fremdlinge, mit denen es sich nur insoweit be-
schäftigt, als sie in den bürgerlichen Rechtsverkehr eintreten. Das typische Orderpapier ist
der Wechsel, der die Orderklausel in sich trägt. Ihm nachgebildet ist der Scheck. Das Handels-
recht gestaltet, wie schon gezeigt ist, die regelmäßige Namenaktie zum unvollkommenen Order-
papier aus. Uberdies aber ermöglicht es die Erhebung von Urkunden bestimmter Art zu voll-
kommenen Orderpapieren (ss 363—365).
Diese handelsrechtlichen Orderpapiere müssen ausdrücklich an Order
lauten. Es gibt sieben Arten von Urkunden, die dazu befähigt sind: kaufmännische Anweisungen,
d. h. Anweisungen, die auf einen Kaufmann über die Leistung von Geld, Wertpapieren oder
anderen vertretbaren Sachen ausgestellt sind, ohne daß darin die Leistung von einer Gegen-
leistung abhängig gemacht ist; kaufmännische Verpflichtungsscheine, d. h. von einem Kaufmann
ausgestellte Verpflichtungsscheine über die Leistung von Gegenständen gleicher Art unabhängig
von einer Gegenleistung; Konnossemente; Ladescheine; Lagerscheine der staatlich zur Aus-
stellung solcher Urkunden ermächtigten Anstalten; Bodmereibriefe; Transportversicherungspolicen.
Bei allen diesen Papieren hat das Indossament die gleiche Übertragungskraft wie
das Wechselindossament. Mit dem indossierten Papier gehen alle Rechte aus dem Papier auf