Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

88 Otto v. Gierke. 
den Indossatar über. Und sie gehen dem Wortlaut des Papieres gemäß (skripturgemäß) über, 
so daß dem legitimierten Papierbesitzer vom Schuldner nur solche Einwendungen entgegen- 
gesetzt werden können, die sich gegen die Gültigkeit der Ausstellung richten oder sich aus dem 
Inhalt des Papiers ergeben oder unmittelbar gegen den Besitzer gehen. Dagegen hat das 
Indossament hier nicht die Verpflichtungskraft des Wechselindossaments. Die Form des In- 
dossaments richtet sich nach Wechselrecht; insbesondere ist ein Blankoindossament zulässig. 
Ebenso entscheiden die Regeln des Wechselrechts über die Legitimation des Besitzers, die Prüfung 
der Legitimation (keine Verpflichtung des Schuldners, die Echtheit der Indossamente zu prüfen) 
und die Beschränkung des Herausgabeanspruchsgegen denlegitimierten BesitzerlWO. Art. 36 und 74). 
Die handelsrechtlichen Orderpapiere sind Einlösungspapiere. Der Schuldner 
braucht nur gegen Aushändigung der quittierten Urkunde zu leisten (§ 364 Abs. 3). Doch ist 
Kraftloserklärung möglich; der Schuldner ist schon nach Einleitung des Aufgebotverfahrens falls 
ihm Sicherheit bestellt wird, zur Leistung nach Maßgabe der Urkunde verpflichtet (§ 365 Abs. 2). 
c) Inhaberpapiere sind Wertpapiere, die auf die unbestimmte Person des je- 
weiligen Inhabers lauten; bei ihnen werden die Schicksale des Rechts aus dem Papier zugleich 
mit denen des Rechts am Papier ausschließlich durch das Sachenrecht bestimmt. Das BGB. 
regelt die Schuldverschreibungen auf den Inhaber und die Grundschuldbriefe auf den Inhaber, 
das Scheckgesetz den Inhaberscheck, das H#G., wie schon gezeigt ist, die Inhaberaktie. 
2. Die Wertpapiere zerfallen nach der Beschaffenheit des verbrieften 
Rechtsin Mitgliedschaftspapiere, von denen die Aktien in das Handelsrecht fallen, Forderungs- 
papiere, zu denen alle sonst erwähnten handelsrechtlichen Wertpapiere gehören, und Sachen- 
rechtspapiere, von denen die liegenschaftsrechtlichen im bürgerlichen Recht wurzeln, dagegen 
die fahrnisrechtlichen dem Handelsrecht entstammen. 
Dies sind die Waren papiere (Traditions= oder Dispositionspapiere), die zunächst 
eine Forderung auf Herausgabe beweglicher Sachen verkörpern, zugleich aber, weil sie damit 
eine Verfügung über die Sachen gewähren, die Sachen in sachenrechtlichen Verhältnissen ver- 
treten können. Ihr Besitz vermag daher zugleich Sachbesitz zu geben und zu erhalten, und 
ihre Übergabe ist Mittel der Besitzübertragung. So kann bei der Übereignung oder Verpfän- 
dung der Waren, auch wenn sie sich in der Ferne befinden, die Übergabe des Warenpapiers 
die Übergabe des Gutes vertreten. Nur muß, je nachdem das Papier Rekta-, Order- oder 
Inhaberpapier ist, zugleich die entsprechende papiergemäße Legitimation des Besitzers zur 
Empfangnahme hergestellt sein. Man darf die dingliche Wirkung der gehörigen Papier- 
begebung nicht, wie vielfach geschieht, auf einen bloßen Anwendungsfall der Übertragung des 
mittelbaren Besitzes durch Anspruchsabtretung (gemäß BG. F 870, 931) zurückführen. Man 
darf aber auch nicht, wie neuerdings besonders Heymann, der Papierbegebung eine „absolute“ 
Wirkung zuschreiben, so daß sie im Sinne der alten traditio cartae ein von den Besitzverhält- 
nissen an der Ware unabhängiges Mittel der Rechtsübertragung wäre. Vielmehr wirkt die 
Papierbegebung vermöge der im Papier verkörperten Rechtsmacht nach Art leiblicher Über- 
gabe, diese Wirkung ist aber an das Dasein des Warenbesitzes, den das Papier verschaffen soll, 
gebunden. Die Ubereignungswirkung tritt daher nicht ein, wenn zur Zeit der Papierbegebung 
der papiergemäß Herausgabepflichtige nicht mehr besitzt. Es verhält sich bei dieser Tradition 
der Ware durch Ubergabe eines juristischen Herrschaftsmittels ähnlich, wie bei der Sachtradition 
durch Üübergabe der die tatsächliche Herrschaft gewährenden Schlüssel. — Das neue HB. 
erteilt die Kraft des Warenpapiers allen Konnossementen (das alte H#GB. Art. 644 nur den 
Orderkonnossementen), allen Ladescheinen (wie vorher schon das BSch G.) und den an Order 
lautenden Lagerscheinen, jedoch erst von dem Zeitpunkt an, in dem das Gut vom Schiffer oder 
einem anderen Vertreter des Reeders, vom Frachtführer oder vom Lagerhalter übernommen 
ist (65 647, 450, 424). 
Literatur: Brunner, b. Endemann II 140 ff. H. O. Lehmann, Zur Theo#nte 
der Wertpapiere, 1890. G oldschmidt, Z. f. HR. XXIX 18 ff. Jacobi, Begrift und 
Recht der Wertpapiere nach dem B#., 1901. G ierke, #n# II & 108—112. K. Leh- 
mann s 118—119, 161. Gareis 69 ff., 5 44 Z. 6. E. Heymann, Die dingliche 
Wirkung der handelsrechtlichen Traditionspapiere (in Festg. f. Dahn), 1905; dazu M. Wolff, 
Z. f. HR. LVIII 620 ff.
	        
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