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sitte mit manchen Handelsgeschäften verbundene Delkrederestehen) möglich. Vielfach ist eine
besondere Vergütung für Bürgschaftsleistung (Delkredereprovision) im Handel üblich.
2. Zurückbehaltungsrecht. Zur Sicherung wegen Forderungen aus beider-
seitigen Handelsgeschäften haben Kaufleute gegeneinander ein besonderes kaufmännisches
Zurückbehaltungsrecht (§§ 369—372). Es kann nicht nur wegen fälliger Forderungen, sondern
dann, wenn Unsicherheit des Schuldners durch Konkurseröffnung, Zahlungseinstellung oder
erfolglose Zwangsvollstreckung festgestellt ist, auch wegen nicht-fälliger Forderungen ausgeübt
werden. Seinen Gegenstand bilden nur bewegliche Sachen und Wertpapiere des Schuldners,
die mit dessen Willen auf Grund von Handelsgeschäften in den Besitz des Gläubigers gelangt
und noch in seinem Besitz sind; doch findet es auch statt, wenn das Eigentum auf den Gläubiger
übergegangen, aber auf den Schuldner zurückzuübertragen ist. Die Ausübung ist ausgeschlossen,
insofern sie der vom Schuldner vor oder bei der Übergabe erteilten Anweisung oder der vom
Gläubiger übernommenen Verpflichtung, in bestimmter Weise mit dem Gegenstande zu ver-
fahren, widerspricht; diese Beschränkung fällt aber weg, wenn Unsicherheit des Schuldners ein-
getreten und die dies offenbarende Tatsache dem Gläubiger erst nach der ÜUbergabe oder Ver-
pflichtungsübernahme bekannt geworden ist. Der Schuldner kann die Ausübung durch Sicher-
heitsleistung, aber nicht mit Bürgen, abwenden.
Die Wirkung ist das Recht des Gläubigers, sich aus dem zurückbehaltenen Gegen-
stande wegen seiner Forderung zu befriedigen. Die Befriedigung erfolgt nach den Regeln des
Pfandverkaufs (mit der verkürzten Wartefrist von einer Woche), jedoch niemals ohne Klage,
vielmehr, falls nicht der Weg der Zwangsvollstreckung beschritten wird, nur auf Grund eines
vollstrechbaren Titels gegen den Eigentümer (oder, wenn der Gläubiger selbst der Eigentümer
ist, gegen den Schuldner); ein Verkauf ohne vollstreckbaren Titel ist nicht rechtmäßig. Der
gute Glaube des Gläubigers an den Fortbestand des beim Besitzerwerbe vorhandenen Eigentums
des Schuldners wird in Ansehung der Befriedigung geschützt, wenn auch inzwischen ein anderer
das Eigentum erworben hat.
Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht ist trotz seiner Annäherung an das Pfandrecht
ein persönliches, kein dingliches Recht (RGer. VIII Nr. 30, XIV Nr. 36, Seuff. XIVI
Nr. 113). Darum entbehrt es auch der unbedingten Kraft gegen Dritte. Nur insoweit, als
der Fahrmisbesitz jedem persönlichen Recht dingliche Wirkungen verschafft, treten diese Wirkungen
auch zugunsten des Zurückbehaltungsrechts ein. Das Zurückbehaltungsrecht besteht daher einem
Dritten gegenüber nur insoweit, als diesem die Einwendungen gegen den Herausgabeanspruch
des Schuldners überhaupt (insbesondere nach BG. 5 986 Abs. 2) entgegengesetzt werden
können (5 369 Abs. 2). Insoweit gewährt es auch in Ansehung der Befriedigung aus der Sache
den Vorrang vor dem dinglichen Rechte des Dritten (§ 371 Abs. 1 S. 2).
Literatur: Laband, B. f. HR. IX 482 ff. Goldschmidt, Handb. II 962 ff.
Korn, Kaufmennisches Retentionsrecht, 1881. Reinhold, Allg. u. kaim Zurückbehaltungs-
recht, 1890. Schlegelberger, Das Zurückbehaltungsrecht, 1904, S. 192 ff. .1 anitz,
Das Wesen des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechte! geschichtlich entwidelt, 1906. K. Leh-
mann 7 126. Gareis 44 Z. 9. Cosack 83
§ W. Offentliche Anstalten für den Abschluß von Handelsgeschäften.
1. Märkte. Märkte sind regelmäßige Zusammenkünfte zum Zweck des Umsatzes zur
Stelle gebrachter Waren. Zu ihnen gehören Messen (für Großhandel), Jahrmärkte (für Klein-
handel) und Wochenmärkte (für Handel mit Gegenständen des täglichen Bedürfnisses). Das
Recht zur Veranstaltung von Märkten, im Mittelalter als „Marktrecht“ auf königliche Verleihung
zurückgeführt, fließt aus öffentlichrechtlicher Gestattung und wird durch obrigkeitliche Markt-
ordnungen geregelt und beschränkt. Die mit dem Marktrecht früher verbundenen Privilegien
(Marktfriede, Marktgericht, Marktfreiheit) und die es ergänzenden Monopolrechte (Stapel-
Niederlags-, Kranrecht, Straßenzwang) sind bis auf geringe Reste (vol. z. B. RGewO. 5 64
Abs. 2) weggefallen. Die privatrechtliche Bedeutung der Märkte besteht namentlich in der
Bildung des Marktpreises.
2. Börsen. Börsen sind regelmäßige, sich in verhältnismäßig kurzen Zwischenräumen
wiederholende Zusammenkünfte für den Abschluß von Handelsgeschäften über nicht zur Stelle