Deutsches Staatsrecht. 125
Recht auf die Krone; b) die sog. Ehrenrechte, ausschließliche Ansprüche auf gewisse Vor-
züge, welche dem Monarchen und nur ihm eingeräumt sind, um hiermit nicht sowohl die Person
als den in ihr sich verkörpernden Staat selbst zu ehren, die Majestät der Staatsidee in die Er-
scheinung treten zu lassen. An der Spitze dieser Gruppe von Rechten steht die Unverletz-
lichkeit oder, wie manche Verfassungen sagen, die „Heiligkeit“ der Herrscherpersönlichkeit:
ein Recht auf Immunität gegenüber jedem staatlichen Zwang, derart, daß der Monarch weder
für Regierungs= noch für Privathandlungen von irgend wem zur Rechenschaft gezogen, ins-
besondere vor Gericht gefordert werden kann (Unverletzlichkeit gleichbedeutend mit Unver-
antwortlichkeitz; dies sonst streng durchgeführte Prinzip erleidet eine Ausnahme nur
insofern, als der Zivilrechtsweg gegen den Monarchen als Privatmann nicht aus-
geschlossen ist). Die übrigen Ehrenrechte sind: das Recht auf die monarchische Titulatur (in
Deutschland vielfach abgestuft: König — Majestät, Großherzog — Kgl. Hoheit, Herzog — Hoheit,
Fürst — Durchlaucht; die Abstufung ist ohne staatsrechtliche Bedeutung), auf das übliche Hof--,
Kanzlei= und sonstige Zeremoniell einschließlich der militärischen Ehrenerweisungen und des
Kirchengebets, auf die Kroninsignien, auf Freiheit von öffentlichen Abgaben und Lasten (jedoch
nur, soweit Reichs- und Landesgesetze solche Freiheit ausdrücklich gewähren), auf erhöhten straf-
rechtlichen Schutz (§§ 80, 81, 94, 95, 98, 99 RStreB.). Die Landestrauer beim Tode
des Monarchen ist nicht Objekt eines subjektiven Anspruchs — wem sollte der zustehen? —, wohl
aber ein überall anerkanntes, wenngleich zumeist nicht auf Gesetz, sondern auf Gewohnheit
fundiertes Institut des objektiven öffentlichen Rechts. Nicht zu den Ehrenrechten des Mon-
archen, sondern zu den ihm zustehenden Regierungsfunktionen gehört die sog. Ehrenhoheit oder
das Belohnungsrecht: Orden, Titel, Adelsprädikate sind nicht persönliche Geschenke des Mon-
archen, sondem Auszeichnungen, welche der Staat durch sein Oberhaupt verleiht. — Die dritte
Gruppe der Monarchenrechte wird gebildet durch c) die Ansprüche auf Gewährung derjenigen
Geld= und geldwerten Leistungen, welche nach der Verfassung und den Gesetzen
des Landes aus Staatsmitteln für die Krone ausgesetzt sind, insbesondere auf die Krondotation
im engeren Sinne oder Zivilliste. Hierüber s. unten §& 31.
8§ 27. Die Ausübung der Regierungsgewalt. Die Verantwortlichkeit der
Minister 1.
Unter Regierungsgewalt wird hier verstanden die gesamte Staatsgewalt in ihrer funk-
tionellen Seite, also nicht eine Auswahl einzelner Staatsfunktionen, sondern der Inbegriff
aller. Es gilt, wie in dem vorigen Paragraphen gezeigt wurde, nach deutschem Landesstaats-
recht der Grundsatz, daß der Monarch Träger der Regierungsgewalt ist, daß er sie aber auszu-
üben hat nach Maßgabe der Verfassung. Gemeingültige — von den Verfassungen teils aus-
drücklich formulierte, teils stillschweigend vorausgesetzte — Rechtssätze über die Ausübung der
Regierungsgewalt sind folgende: 1. Der Satz, daß der Monarch die Staatsgewalt nach den in
der Verfassung festgesetzten Bestimmungen ausübt (s. die Allegate oben S. 124), bedeutet nicht,
daß diese Ausübung stets und unter allen Umständen persönlich durch den Monarchen
erfolgen müsse. Zu persönlichem Handeln ist der Monarch vielmehr nur insoweit verpflicht t,
als Verfassung oder Gesetz dieses ausdrücklich vorschreiben. Wenn z. B. § 7 des preuß. AusfGes.
z. GVG. vom 24. April 1878, bestimmt: die Richter, einschließlich der Handelsrichter, werden
vom König emnannt, so heißt das, daß der König das Anstellungsrecht hinsichtlich der Richter
selbst, persönlich ausüben soll und es dem Justizminister oder sonst wem nicht delegieren darf.
Ob und inwieweit solchergestalt die höchsteigenhändige Unterschrift staatsrechtlich geboten und
notwendig ist, ist Auslegungsfrage des einzelnen Falls. Die Vermutung spricht nicht gegen,
sondern für die Zulässigkeit der Delegation, derart, daß der Monarch im Zweifelsfalle jede
1 G. Meyer s 84, 184, 185; Schulze, Deutsches Staatsr. 1 297 ff.; v. Seydel,
Bayer. Staatsr. 1 504 ff.; Bornhak, Allgemeine Staatslehre S. 40 ff. und Preuß. Staatsr.
1 134 ff.; Samuely, Das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit (1869); Pistorius, Staats-
Frichtshofe und Ministerverantwortlichkeit (1891); F. Frhr. Marschall v. Bieberstein,,
erantwortlichkeit und Gegenzeichnung bei Anordnungen des obersten Kriegsherrn (1911).