126 G. Anschütz.
Regierungsfunktion seinen Behörden und Beamten, vorab den Ministem, zur Ausübung all-
gemein oder durch Spezialbefehl übertragen darf (unbeschadet der ministeriellen Verantwort-
lichkeit für die delegierten Funktionen). 2. Ebensowenig wie ein allgemeines Ge bot besteht
ein solches Verbot des persönlichen Regiments. Nur soweit es durch Verfassung oder Gesetz
ausdrücklich bestimmt ist, hat der Monarch des persönlichen Eingreifens in die Staatstätigkeit
sich zu enthalten, muß er statt seiner andere walten lassen. Hauptbeispiel: Ausübung der richter-
lichen Gewalt, Unabhängigkeit der Justiz; s. unten § 43. 3. Soweit nun der Monarch selbst
regiert, sei es, weil er darf, sei es, weil er muß, ist er an die Schranken und Formen gebunden,
welche die Verfassung ihm setzt. Di wesentlichsten Schranken (im Sinne von materiellen
Beschränkungen) ergeben sich aus dem Dasein und der Zuständigkeit der Volksvertretung,
des Landtags (s. unten §§ 32 ff.), sowie aus der Unabhängigkeit der Gerichte. Form-
vorschriften für die Ausübung der Regierungsgewalt sind z. B.;: die gesetzliche Anordnung, daß
ein Regierungsakt im Staatsministerium oder Staatsrat beraten werden muß oder nur ergehen
darf auf Antrag oder Vorschlag gewisser Stellen, etwa des Staatsministeriums (Beispiele:
l 18 preuß. Ges., betr. die Verfass. der Verwaltungsgerichte vom 3. Juli 1875, § 79 preuß.
Städteordnung vom 30. Mai 1853), — vor allem aber gehört hierher der Inbegriff von Rechts-
sätzen, welcher sich ergibt aus der verfassungsrechtlichen Stellung der Minister, dem Institut
der Ministerverantwortlichkeit.
Der Minister ist — das Wort sagt es — ein Diener. Aber ein höchster Diener der Krone,
welchem, in unmittelbarer Unterordnung unter den Monarchen, die Leitung eines
Zweiges der Staatstätigkeit übertragen ist. Die Stellung des Ministers zeigt zwei Seiten, eine
verfassungsrechtliche: der Minister als verantwortlicher Berater der Krone, und eine verwaltungs-
rechtliche: der Minister als Vorgesetzter aller in seinem Ressort tätigen Behörden und Beamten,
als Departementschef. Diese Doppelstellung zeigt sich nun bei dem Minister des absoluten
Monarchen ebenso wie bei dem Minister der konstitutionellen Ara. Der Unterschied zwischen
einst und jetzt, das spezifisch „Konstitutionelle“ an dem Ministeramt und der Ministerverant-
wortlichkeit beruht in folgendem. Der absolute Herrscher kann, der konstitutionelle muß
Minister haben. Sie sind für letzteren nicht zu umgehende, verfassungsmäßig notwendige Ge-
hilfen in der Ausübung der Regierungsgewalt. Der Wille des absoluten Monarchen ist staats-
rechtlich schon gültig, weil und sobald er geäußert ist, der des konstitutionellen Monarchen nur,
wenn der Wille eines Ministers sich ihm anschließt und diesen Anschluß durch Gegenzeichnung
oder durch ausdrückliche oder stillschweigende Billigung bekundet. Auch der Minister der abso-
luten Monarchie ist verantwortlich für sein Verhalten im Amte: zivilrechtlich, strafrechtlich, diszipli-
narisch, — aber nur soweit er auf eigene Hand vorgegangen ist und nicht, durch prompten Ge-
horsam jeder Verantwortung entgehend, auf Befehl des Monarchen gehandelt hat. Der kon-
stitutionelle Minister dagegen ist für seine eigene Amtsführung wie für die Regierungsakte der
Krone, zu denen er geraten und deren Ausführung er durch seine Gegenzeichnung rechtlich
möglich gemacht hat, unbedingt verantwortlich und zwar für die Handlungen des Monarchen
so, als wären es seine eigenen Handlungen, überall ohne den Entlastungsgrund des geleisteten
Gehorsams: niemals kann der Minister der Verantwortlichkeit dadurch entgehen, daß er sich
auf den Befehl des Monarchen beruft; der Monarch kann den Minister nicht decken; vielmehr
soll der Minister den Monarchen mit seiner Verantwortlichkeit decken. Alles, was oben S. 111 ff.
über die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers im allgemeinen bemerkt ist, gilt auch für die
Minister in den Einzelstaaten. Ebenso ist hierher zu beziehen, was über die gegenständliche
Begrenzung der Verantwortlichkeit dort gesagt wurde. Insbesondere haftet auch nach Landes-
staatsrecht der Minister nicht nur für die Rechtsgültigkeit, sonderm auch für die Zweckmäßigkeit
der von ihm kor trasignierten Regierungshandlungen, so daß selbst reine Ermessensakte, wie
Begnadigungen, Beamtenemnennungen, Beförderungen, Auszeichnungen, diplomatische Aktionen,
von den zuständiger Ministern gegebenenfalls verantwortlich zu vertreten sind. Die ministerielle
Verantwortlichkeit erstreckt sich auch auf die militärische Kommandogewalt. Auch die kraft dieser
besonders gestalteten Dienstgewalt erlassenen Anordnungen des Monarchen bedürfen mithin
grundsätzlich der Gegenzeichnung, doch muß ihnen auch bei mangelnder Gegenzeichnung, wie
den kaiserlichen Militärbefehlen, seitens der Personen des Soldatenstandes Gehorsam
geleistet werden (vgl. oben S. 112).