Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 135 
4. Die staatsrechtliche Stellung des Regenten ist, wie die des Mon- 
archen, Organschaft im Staat. Und zwar eine unmittelbare Organschaft. Der Regent hand- 
habt die dem Monarchen zustehende Regierungsgewalt nicht in Unterordnung unter jenen, 
auch nicht in Ableitung aus dem Monarchenrecht, sonderm unmittelbar auf Grund der Ver- 
fassung. Die Vorschrift der meisten Verfassungen, daß der Regent die dem Monarchen zustehende 
Gewalt „im Namen" des Monarchen ausübe, darf nicht zu Fehlschlüssen verleiten. Sie hat 
eine wesentlich formale Bedeutung, verpflichtet den Regenten, seinen Regierungsakten bzw. 
seiner Unterschrift die Formel „im Namen Er. Majestät des Königs“ vorauszuschicken und 
wahrt dem Monarchen die ihm gebührenden Ehrenrechte. Nicht aber berechtigt sie zu der An- 
nahme, daß der Regent Vertreter der physischen Person des Monarchen und dadurch mittelbar 
erst Stellvertreter (richtiger: Organ) des Staates sei. Der Regent ist Repräsentant (Organ) 
des Staates, sonst niemands. Er ist nicht Stellvertreter der Monarchenpersönlichkeit, am 
wenigsten in irgendeinem privatrechtlichen (Vormund, Beauftragter, Bevollmächtigter), aber 
auch nicht im staatsrechtlichen Sinne. Zwischen ihm und dem Monarchen, für den er regiert, 
waltet überhaupt kein Rechtsverhältnis ö,h, also auch kein Verantwortlichkeits- 
verhältnis. „Im Namen" heißt hier „an Statt“ des Monarchen. Der Regent ist ein durch das 
Gesetz berufener Ersatzmann des Monarchen. Man mag sich das so vorstellen, daß durch die 
Einsetzung der Regentschaft eine Teilung der Monarchenstellung eintritt: dem Monarchen bleiben 
die Ehren= und pekuniären Rechte (oben S. 124, 125), während das Recht auf Ausübung der 
Regierungsgewalt dem Regenten zufällt. 
Nach Inhalt und Umfangr icht die Gewalt des Regenten ebensoweit wie die des Monarchen, 
es sei denn, daß die Verfassung ein anderes bestimmt. Letzteres ist geschehen z. B. in Württem- 
berg (VU. § 15), auch in Bayemn und einigen Kleinstaaten, nicht dagegen in Preußen. Für 
die Ausübung der Regierungsgewalt durch den Regenten gelten selbstverständlich dieselben 
Schranken, welche dem Monarchen gezogen sind (s. oben § 27). Insbesondere bedarf auch er 
bei Ausübung der Regierungsgewalt der verantwortlichen Mitwirkung der Minister. Diese 
Verantwortlichkeit der Minister deckt den Regenten und schließt jede eigene Verantwortlichkeit 
desselben in ebensoweit aus. Der Regent kann also wegen seiner Regierungstätigkeit von nie- 
mand in irgendeiner Form (straf= und zivilrechtlich) zu irgendeiner Zeit (weder während noch 
nach Ablauf der Regentschaft) zur Verantwortung gezogen werden. Im übrigen aber, soweit 
nicht Regierungs-, sondern Privathandlungen in Frage kommen, besitzt der Regent die monarchische 
Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit nur insoweit, als dies das Gesetz ausdrücklich bestimmt 
(geschehen z. B. in Hessen: Ges., die Regentschaft betr. vom 26. März 1902, Art. 6). Mangels 
einer solchen Bestimmung würde also der Regent, wenn er durch eine Privathandlung ein 
Strafgesetz übertritt, auf den aus der „Unverletzlichkeit“ folgenden Strafausschließungsgrund 
keinen Anspruch haben; die Eigenschaft als Regent würde höchstens ein aufschiebendes Prozeß- 
hinderis (Einleitung des Strafverfahrens erst nach Verlust dieser Eigenschaft zulässig!) dar- 
stellen. 
II. Regierungsstellvertretung im engeren Sinne. Man versteht hierunter die Führung 
der monarchischen Regierungsgeschäfte durch einen Vertreter kraft besonderen Auftrags des 
Monarchen in solchen Fällen seiner Behinderung, welche die Einsetzung einer Regentschaft weder 
erfordern noch auch nur gestatten, also in Fällen vorübergehender Regierungsunfähig- 
keit (Krankheit, kürzere Reisen außerhalb Landes). Das Recht des Monarchen, einen solchen 
Auftrag zu erteilen, ist nicht selbstverständlich, bedarf vielmehr einer positivrechtlichen Be- 
gründung jedenfalls insoweit, als es sich um Ubertragung von Funktionen an den Stellvertreter 
handelt, welche nach Verfassung und Gesetz von dem Monarchen persönlich auszuüben sind 
(s. oben S. 125, 126). Die hiernach erforderliche Ermächtigung findet sich in manchen Ver- 
fassungen ausgesprochen: Bayern II 99, Sachsen § 9; hess. Gesetz betr. die Regentschaft vom 
26. März 1902, Art. 10; andere (Preußen, Württemberg) schweigen, ohne damit die Entstehung 
eines das tatsächlich unentbehrliche Rechtsinstitut der Regierungsstellvertretung stützenden Ge- 
wohnheitsrechtes zu verhindern. In Preußen ist jetzt, nach den Vorgängen der Jahre 1857, 
1858, 1878, 1888 (vgl. Schwartz, Komm.z. preuß. Vl. S. 160 ff.; neuester Präzeden fall: 
Allerh. Erlaß vom 27. Mai 1910, preuß. Ges S. 63) mit einem solchen Gewohnheitsrecht als 
mit einer vollendeten Tatsache zu rechnen. — In der Auswahl seines Stellvertreters ist der
	        
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