Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

136 G. Anschütz. 
Monarch überall vollkommen frei. Der Regierungsstellvertreter unterscheidet sich von dem 
Regenten dadurch, daß seine Zuständigkeit nach Rechtsgrund und Umfang nicht auf der Ver- 
fassung, (also nicht unmittelbar auf Gesetz), sonderm auf dem persönlichen, jederzeit widerruf- 
lichen Willen des Monarchen (auf Rechtsgeschäft) beruht. Er ist, was der Regent nicht ist, persön- 
licher Bevollmächtigter des Monarchen, also demgemäß dem Vollmachtgeber verantwortlich. 
Nach außen, den Behörden und Untertanen gegenüber gilt der geäußerte Wille des Regierungs- 
stellvertreters als Wille des Monarchen, soweit und solange letzterer nicht, persönlich hervor- 
tretend, den Vertreter desavouiert. Ministerieller Gegenzeichnung bedarf der Regierungsstell- 
vertreter ebenso wie der Monarch und der Regent. 
§ 31. Die Dotation der Krone und des Herrscherhauses 1. 
Gegenstand des Staatsrechts sind die Vermögensverhältnisse der regierenden Familien 
nur, sofern sie auf Ansprüchen an den Staat beruhen. Zunächst steht hier zur Erörterung: 
I. Die Dotation der Krone; — Sc. durch den Staat. Die Frage nach dem Ob und 
Wie einer solchen Dotation konnte während der älteren, patrimonialen Entwicklungsstufe des 
deutschen Landesstaatsrechts (s. oben S. 123, 128) gar nicht auftauchen, weil es an der nötigen 
Voraussetzung fehlte: an der rechtlichen Verschiedenheit der Subjekte „Landesherr“ und „Staat", 
weil der Staat im heutigen Sinne noch nicht da war, mithin auch nicht als Schuldner oder Ver- 
sorger der Krone erscheinen konnte. Nach Art und Anlage der Landesherrschaft hatte der Landes- 
herr für sich und die Mitglieder seines Hauses in jeder Hinsicht selbst zu sorgen; wie er diesen 
Bedürfnissen bzw. Pflichten genügte, ging außerhalb des Hauses niemand etwas an, wie denn 
insbesondere niemand, auch das „Land“ (d. h. die Landstände nicht) rechtlich verpflichtet 
war, der landesherrlichen Kasse beizuspringen. Galt schon das Regieren, die Ausübung der 
Landeshoheit, gewissermaßen als Privatvergnügen des Landesherrn, dessen Kosten er, nach 
der Umkehr des Satzes cujus periculum eins commodum, aus seiner Tasche bestreiten mochte, 
so vollends die Finanzierung des landesherrlichen Haus= und Hofhalts und die Versorgung der 
Mitglieder des fürstlichen Hauses. Hier, und hier gerade galt die Regel des ständisch-patri- 
monialen Systems, daß Serenissimus mit seinem Kammergute auszukommen habe. Solches 
Kammergut (Domanium, Domänen) fand sich in allen deutschen Ländern, meist sehr reich- 
haltig vor. Es setzte sich zusammen aus Grundstücken, nutzbaren Rechten (Regalien) und Gefällen 
mannigfacher Art und Herkunft, als Gesamtheit eine Vermögensmasse, welche im Verhältnis 
zur Landeshoheit als Pertinenz der letzteren und mit ihr zusammen als Fideikommißgut 
des regierenden Hauses (s. oben § 4, S. 31, 328 S. 128) aufgefaßt wurde: dem Landeshernn steht 
an den Hoheitsrechten wie an dem Kammergut ein gebundenes, durch die Rechte des Hauses 
und seiner Mitglieder beschränktes Eigentum zu, aus den Erträgnissen des Kammerguts werden 
bestimmungsgemäß die Kosten der Landeshoheit wie der Be darf des landesherrlichen Hofhalts 
und des Unterhalts der Mitglieder des Hauses bestritten. Die Umwandlung dieser Verhältnisse 
bringt, wie oben S. 123 gezeigt, die Landeshoheit an den Staat. In der Folgerichtigkeit 
dieser Entwicklung lag es, den großen Subjektwechsel in der Hauptsache auch auf die Pertinenz 
zu erstrecken: mit den landesherrlichen Hoheitsrechten auch deren finanzielle Grundlage, das 
Kammergut, zu verstaatlichen und, als eine darauf auch femerhin haftende Last, die Versorgung 
von Krone und Herrscherhaus mit zu übemehmen. Indessen wurde dieser Gedanke nicht in 
allen Staaten und im übrigen nicht gleichzeitig und auch nicht gleichmäßig verwirklicht. Am 
frühesten vollzog sich die Verstaatlichung der Domänen in Preußen: schon durch das Edikt 
König Friedrich Wilhelms I. vom 13. August 1713. Ganz klar kommt das Eigentumerecht des 
Staates im ALR. zum Ausdruck; § 11 II, 14 dieses Gesetzbuchs gibt den bestehenden Rechts- 
H. A. Zachariae, Deutsches Staats- und Bundesr. §§ 207 ff.; G. Meyer &9 94 ff.; 
v. Gerber, Grundz. S. 80 ff.; v. Roenne-Zorn, Preuß. Staatsr. 1 213 ff.; Schwartz, 
Komm.-. preuß. V U., zu Art. 39, ferner die Artikel „Civilliste“ in Fleischmann= v. Stengels 
Wörterbuch des Staats= und Verwaltungsrechts (Schwarz), Holtzendorffs R.-Lex. 
(E. Meier), im Handwörterbuch der Staatswissenschaft (Mitschler), und „Apanage“ im 
R.-Lex. (Meier), Handwörterb. d. Staatswiss. (Rintelen) und in Fleischmann- 
v. Stengels Wörterb. (Schwarzz).
	        
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