Deutsches Staatsrecht. 137
zustand wieder, indem es an den „Domänen= oder Kammergütem“ dem Staat das Eigentum,
dem Staatsoberhaupte aber die Nutzung zuschreibt. Es ist eine formalistisch-zivilrechtliche
Einkleidung des Verhältuisses der absoluten Krone zum Staatseigentum; gesagt werden wollte:
die Domänen gehören dem Staat, ihre Einkünfte fließen in die Staatskasse, aber erst nach Abzug
dessen, was die Krone als ihre „Nutzung“, d. h. als Bedarf für den Unterhalt des Monarchen
und seiner Familie vorwegzunehmen für gut befindet. In Fortbildung dieser Rechtsverhältnisse
ist dann, noch unter der absoluten Monarchie (Gesetz über das Staatsschuldenwesen vom 17. Jan.
1820) die Höhe der Summe, welche als Dotation für Krone und Herrscherhaus alljährlich den
Domäneneinkünften zu entnehmen ist, dauernd gesetzlich festgelegt worden. Und zwar beläuft
sich die Jahresrente, welche durch das Ges. vom 17. Januar 1820 staatsseitig der Krone (dem
„Kronfideikommißfonds“) mit Radizierung auf die Staatsdomänen: überwiesen wurde, auf
2,5 Mill. Taler Gold, ein Betrag, welcher einschließlich jener dinglichen Sicherung von All.,
Art. 59 aufs neue anerkannt und in der Folge stufenweise (Gesetze von 1859, 1868, 1889, 1910)
um 10 Mill. Mark (die aber nicht den Domäneneinkünften vorwegzunehmen, sondern aus all-
gemeinen Staatsfonds zu zahlen sind) erhöht wurde. Die preußische Krondotation beträgt
hiernach heute 17719 296 Mark jährlich, eine sog. „permanente“ (d. h. durch Gesetz auf un-
bestimmte Dauer festgestellte) Zivilliste. — Der gleiche Rechtszustand wie in Preußen herrscht
in den andern deutschen Königreichen, die (in Bayern permanente, in Sachsen und Württem-
berg bei jedem Thronwechsel für die Dauer der Regierung festzusetzende) Krondotation oder
Zivilliste ist auch hier auf den (in Bayem und Württemberg unter der absoluten Monarchie
zur Rheinbundszeit, in Sachsen durch die Vll. von 1831 verstaatlichten) Domänenbesitz dinglich
radiziert.
In den andern deutschen Staaten ist es zu einer Uberweisung des Kammerguts an den
Staat entweder gar nicht oder doch nur teil- und bedingungsweise gekommen. Teilung
der Domänen nach der Substanz hat stattgefunden in Hessen, Oldenburg, Anhalt und ander-
wärts: eine Auseinandersetzung zwischen Haus und Staat, welche durch Uberweisung des einen
Teils der Domänen an den letzteren und Zurückbehaltung des anderen für das erstere die Dynastie
bezüglich aller weiteren Ansprüche an den Staat abkand. Baden teilt qualitativ: das regiernde
Haus behält sein „unstreitiges Patrimonialeigentum“ (§ 59 bad. Vll.) an den Domänen, dem
Staate jedoch wird Besitz, Verwaltung und Nutzung zugesprochen, die Domäneneinkünfte fließen
in die Staatskasse nach Abzug einer (permanenten) Zivilliste für den Monarchen. In den meisten
übrigen Einzelstaaten hat die regierende Familie bzw. der Landesherr das Kammergut dem
Rechte wie der (sei es ausschließlichen, sei es prinzipalen) Nutzung nach behalten und hieraus
den persönlichen Unterhalt der Krone zu bestreiten.
II. Eine Dotierung der übrigen Mitglieder des regierenden
Hauses von Staats weger besteht in den Mittel- und manchen Kleinstaaten, nicht
dagegen in Preußen. Hier gilt die Krondotation als Gesamtleistung des Staates an Krone
und Herrscherhaus, die standesgemäße Versorgung der Prinzen und Prinzessinnen ist eine
innere, autonomisch zu ordnende Angelegenheit des königlichen Hauses, um welche der Staat
sich überall nicht kümmert. Die einschlägigen Bezüge: Apanagen, Sustentationen, Wittum,
Aussteuern usw. sind in Preußen keine Staatsprästationen, daher auch keine Institutionen des
Staats-, sondern des Privatrechts (freilich nicht des gemeinen, sondern des Sonderrechts des
königlichen Hauses). Anders in Bayem, Württemberg, Sachsen, Baden und anderwärts, wo
jene Bezüge — unter den angegebenen und anderen Benennungen — unmittelbar aus der
Staatskasse gezahlt werden und Gegenstände besonderer öffentlichrechtlicher Ansprüche der
Mitglieder des Hauses an den Staat bilden. Die Höhe der Bezüge ist meist gesetzlich fixiert.
Hinsichtlich der Apanagen im engeren Sinne, der den Prinzen des Hauses zu gewährenden
Renten folgen die Gesetzgebungen teils, wie in Bayemm, Württemberg, Sachsen, dem System
der vererblichen, teils (Baden) dem der persönlichen (für die Lebenszeit über-
wiesenen) Apanage.
1 Die Kronrente des Gesetzes vom 17. Januar 1820 hat mithin die rechtliche Natur einer
Reallast; das belastete Grundstück ist der Inbegriff des staatlichen Domänenbesitzes, Gläubiger der
jeweilige König. Vgl. BGB. F 1105.