Deutsches Staatsrecht. 147
Die Mitglieder der Zweiten Kammer, in manchen Staaten (nicht in Preußen) auch die der
Ersten (mit Ausnahme überall der Prinzen und der erblichen Mitglieder) erhalten eine Vergütung
für ihre Tätigkeit entweder in Form von Tagegeldem oder als fixierte Entschädigung für jede
Sitzungsperiode. Auch genießen sie freie Fahrt auf den Eisenbahnen des Landcs bzw. statt-
dessen das Recht auf Ersatz der Reisekosten.
Oritter Abschnitt: Der Staatsdienst.
8 36. Die Rechtsformen des Staatsdienstes und der Begriff des Beamten.
Staatsdienst im weitesten Sinne ist gleichbedeutend mit jedem organschaftlichen Handeln
für das Gemeinwesen (den Staat als Reich und Einzelstaat mitsamt den eingegliederten Gemein-
den und anderen öffentlichrechtlichen Verbänden) und daher „Staatsdiener"“ in diesem Sinne
seder, der zu solchem Handeln berufen ist. Es ist klar, daß der so weit gefaßte Begriff auch die
obersten Organträger mit umschließt: auch der Monarch und die Volksvertreter erscheinen hier
als Staatsdiener. Für gewöhnlich zieht man aber die Begriffsgrenzen enger. Man denkt bei
dem Worte Staatsdiener an die Gesamtheit der Personen, welche in Unter-
ordnung unter das Staatsoberhaupt dem Staate zur Leistung von
Diensten rechtlich verpflichtet sind, und versteht unter „Dienst“ hier überall per-
sönliche Arbeitsleistung, gleichviel, ob höherer oder niederer, geistiger oder me-
chanischer Art; Beitragsleistungen zu den Kosten des Gemeinwesens gehören nicht hierher, sonderm
ins Finanzrecht; Steuern zahlen ist nicht Staatsdienst. Oder — und dies ist der Begriff des Staats-
dienstes im engsten und spezifischen Sinne — man versteht darunter nur das Verhältnis und
die Tätigkeit der Beamten.
Von den Grundzügen des Beamtenrechts soll im folgenden die Rede sein. Es gibt drei
typische Rechtsformen des Staatsdienstes in jenem engeren, aber nicht engsten, lediglich die Trä-
ger unmittelbarer Staatsorganschaften ausscheidenden Sinne. Der Staatsdienst des Beamten
ist eine von den dreien und daher der Begriff des Beamten im Abstande von den beiden anderen
Formen zu bestimmen. Letztere sind: der Staatsdienst auf Grund privatrechtlichen Vertrages
und der Staatsdienst kraft gesetzlicher Untertanenpflicht. Daß der Staat, als Privatmann sich
gebärdend, durch Eingehung von Dienst= oder Werkverträgen sich Arbeitskräfte und Arbeits-
leistungen verschaffen kann, ist deutlich; daß er von diesem Können in weitem Umfange Ge-
brauch macht, lehrt die Erfahrung (Unternehmer öffentlicher Bauten, wissenschaftliche oder künst-
lerische Produktionen für den Staat, Arbeiter in Staatsbetrieben). Die juristische Bestimmung
dieser Staatsdienstform im einzelnen ist Sache des Privat-, nicht des Staatsrechts; das hier
Wesentliche ist: Staat und Staatsdiener stehen sich hier gegenüber wie gleich und gleich: der
Diener ist rechtlich gebunden, aber nur in Vertragsweise; er dient, weil er will. In schroffem
Gegensatz zu diesem Bilde steht die Rechtsform des Staatsdienstes kraft Untertanenpflicht, deren
ungeheure praktische Bedeutung aus den beiden Hauptanwendungsfällen, der Militärpflicht
und der Gerichtsdienstpflicht (Dienst als Schöffe, Geschworener, Gewerbegerichtsbeisitzer) erhellt.
Hier herrscht kein Privatrecht, sondern allein das öffentliche Recht. Pflichterfüllung bedeutet
nicht Vertragserfüllung; der Soldat dient nicht, weil er will, sondern weil er muß; seine Dienste
sind, ebenso wie die des Gerichtspflichtigen, nicht ausbedungen, vielmehr einseitig vom Staate
auferlegt, auferlegt freilich nicht nach Verwaltungswillkür, sondern auf Grund und nach Maß-
gabe des Gesetzes.
Die Eigenart des Beamtendienstes ist von den beiden eben angegebenen Rechtsfiguren gleicher-
1 Literaturauswahl zu diesem Abschnitt: Laband 1 fK 44 ff.; Meyer-Anschütz
# 142 ff.; Loening, Verwaltungsrecht ## 23 fỹ Otto Mayer, Deutsches Verwaltungs-
recht 2 195 ff.; 220 ff.; Jellinek, System 177 ff., 203 ff.; Rehm, Die rechtliche Natur des
Staatsdienstes, in Hirths Annalen 1884 und 1885; v. Seydel, Bayer. Staatsr. 2 86.176 ff.;
Bornhak, Preuß. Staatsr. (2. Aufl.) 2 1 ff.; v. Roenne-Zorn, Staatsr. d. preuß.
Monarchie 1 416 ff.; 9. erels und Spilling, Das Reichsbeamtengefetz (2. Aufl.), 1906;
v. Rheinbaben, Art. „Beamte“ in Fleischmann= v#. Stengels Wörterb. des Staats-
38 Verealtungsre ts; Reindl, Kommentar zum bayerischen Beamtengesetz vom 16. August
(1913).
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