Deutsches Staatsrecht. 163
von Rechtsverordnungen in Frage kommen (Jellinek, G. und V. 373, Anschütz, Gegen-
wärt. Theorien 174, 175).
Die wichtigsten Arten der Verwaltungsverordnungen sind die Organi-
sationsverordnungen, die Anstaltsordnungen und die Dienstauwei-
sungen (Instruktionen).
1. Die Organisationsverordnungen haben zum Gegenstand die Einrich-
tung der Staatsbehörden. Sie sind Außerungen der Organisationsgewalt. Diese
gehört nach der verfassungsmäßigen Gewaltenteilung nicht zur Legislative, sondern zur Exe-
kutive, steht daher, auch wenn sie verordnungsmäßig, d. h. durch abstrakte Anordnungen, gehand-
habt wird, der vollziehenden Gewalt nur insoweit nicht zu, als die Organisation bestimmter
Arten von Behörden (man denke namentlich an die Gerichtsverfassungl) gesetzlich festgelegt oder
dem Gesetzgebungswege durch ausdrückliche Bestimmung vorbehalten ist. Rechtsverordnungen
sind die Organisationsverordnungen deshalb nicht, weil sie nicht in Freiheit und Eigentum der
Untertanen eingreifen, mit anderen Worten nicht neue Rechte der Staatsgewalt gegenüber jenen
begründen, sondern nur die zur Ausübung der bestehenden Rechte zuständigen Stellen bezeichnen.
Eine mittelbare, aber sehr wirksame Schranke erwächst der Organisationsgewalt, also auch dem
organisatorischen Verordnungsrecht der Regierung, aus dem Budgetrecht der Volksvertretung,
sofern die Verfügbarkeit der für eine organisatorische Neuerung erforderlichen Geldmittel von der
parlamentarischen Bewilligung abhäugig ist (s. unten § 47. Zum Vorstehenden vgl. auch die
Erklärung der königl. preußischen Staatsregierung vom 30. Januar 1869, bei Anschütz, Gegen-
wärt. Theorien S. 156 ff.).
Das Landesstaatsrecht behält den Erlaß von Organisationsverordnungen dem Monarchen
in der Regel ausschließlich vor. Im Reiche, d. h. in bezug auf die Organisation der Reichsbehörden,
wird man diese Kompetenz theoretisch im Prinzip dem Bundesrate zusprechen müssen:
nicht zwar im Hinblick auf RV. Art. 7, Ziff. 2, denn mit der dort genannten „Einrichtungen, welche
zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlich sind, dürften nicht unmittelbare Reichsorgane, viel-
mehr einzelstaatliche Organe (z. B. Zollämter) gemeint sein, sondern wegen der allgemeinen
verfassungsrechtlichen Stellung des Bundesrats (s. oben S. 94, 97), kraft deren ihm die Aus-
übung aller Reichshoheitsrechte zusteht, soweit sie nicht anderen Reichsorganen, insbesondere
dem Kaiser, übertragen ist. Doch ist diese organisatorische Kompetenz des Bundesrates kraft
einer zum Gewohnheitsrecht gewordenen feststehenden Ubung auf den Kaiser übertragen, welcher
das Recht, die Organisation der Reichsbehörden zu bestimmen, nicht nur insoweit, als es ihm aus-
drücklich delegiert ist (RV. Art. 50, Post= und Telegraphenbehörden, Art. 53, Kriegsmarine),
sondern auch sonst und überhaupt ausübt, wie denn insbesondere die obersten Reichsverwaltungs-
behörden (Reichsämter, vgl. oben 114) durch Kaiserliche, nicht durch bundesrätliche Verord-
nungen eingerichtet worden sind.
2. Die Anstaltsordnungen betreffen die Staatsanstalten, z. B. Unter-
richtsanstalten, wissenschaftliche und Kunstinstitute, Verkehrsanstalten. Wo eine Staatsanstalt
ist, da gibt es für die „vollziehende Gewalt“ etwas zu verwalten, und wo verwaltet wird, ist über-
all auch Gelegenheit gegeben, allgemeine Bestimmungen, also Verordnungen, zu erlassen, welche
die Interna der Anstalt: Zweck und Aufgabe, Organisation und Administration, innere Ordnung
und Disziplin regeln, welche namentlich auch die Bedingungen feststellen, unter denen das Publi-
kum die Anstalt benutzen und iyre Leistungen beanspruchen darf. Rechtsnormen sind dies
nicht, denn es fehlt das Unterscheidungsmerkmal der Rechtsnorm: der Eingriff in Freiheit und
Eigentum. (Besondere Rechte der Anstalt gegenüber Freiheit und Eigentum der Untertanen kann
die Anstaltsordnung nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung schaffen.) Eine Norm, welche die
Benutzung öffentlicher Anstalten nach Art, Maß, Zeit, Preis (Gebührentarif!) regelt, greift nicht
rechtssatzmäßig in Freiheit und Eigentum der einzelnen ein, oktroyiert diesen nichts, offeriert
ihnen vielmehr die Vorteile einer gemeinnützigen Einrichtung nach Maßgabe gewisser Voraus-
setzungen oder Gegenleistungen. Dergleichen Bestimmungen (Beispiel: Postordnung für die
Reichspost, geltende Fassung vom 20. März 1900; Betriebsordnungen und Tarifreglements der
Staatseisenbahnen; Benutzungs- und Besuchsordnungen der Bibliotheken und Museen, Universi-
tätsstatuten, Lehrpläne für die öffentlichen Schulen) zu treffen, ist in dem allgemeinen Verwal-
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