Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

14 G. Anschütz. 
päische Staatengewalt aber erst durch die neuere Verfassungsentwicklung Deutschlands (seit 1867) 
und der Schweiz (1848) eingeführt worden ist, nichts wußte. 
Zusammengesetzte Staaten sind solche, die eine Vereinigung nicht sowohl 
von Menschen als von Staaten unter einer obersten Gewalt darstellen: Staatswesen höherer 
Ordnung also, welche aus einer Mehrheit von Staaten zusammengesetzt sind (Staatenstaaten 
im weiteren Sinne). Demgegenüber ist ein Einheitsstaat ein Staat, welcher weder 
selbst ein zusammengesetztes Staatswesen darstellt, noch einem solchen als Mitglied oder 
Untertan angehört. Es ist deutlich, daß die Figur des zusammengesetzten Staates eine Kom- 
plikation und Modifikation des Einheits-, d. h. einfachen Staates zeigt, sofern Land und Leute 
nicht einer, sondern mehreren Staatsgewalten unterworfen sind, von denen eine (die Bundes-, 
Zentral-, Reichsgewalt) die höchste ist. 
Begriff und Wesen des zusammengesetzten Staates wird umfaßt von der allgemeineren 
Kategorie „Staatenverbin dung“. 
Eine Staatenverbindung (Literatur siehe bei Meyer-Anschütz, Staatsr., §§ 12—14, 
dazu Jellinek, Staatsl., S. 719 ff.) ist eine auf einem besonderen Rechtsgrunde beruhende, 
auf Dauer eingerichtete Vereinigung mehrerer Staaten. 
Das Moment des besonderen Rechtsgrundes hebt die Staatenverbindung ab von 
der allgemeinen, universalen Gemeinschaft der Staaten, welche die Grundlage des Völker- 
rechts bildet. Durch ihren dauernden undinstitutionellen Charakter unterscheidet 
sich die Staatenverbindung einerseits von vorübergehenden internationalen Vereinigungen 
aller Art, andererseits von zwischenstaatlichen Verträgen, die, wenngleich auf längere, vielleicht 
unbestimmte Zeit abgeschlossen (dauernde Schutz= und Trutzbündnisse u. dgl.), während dieser 
Zeit wohl rechtliche Beziehungen zwischen den Staaten schaffen, nicht aber in bleibenden Ein- 
richtungen, gemeinsamen Institutionen der Verbundenen objektiviert erscheinen. 
Die Rechtstatsache, auf welche die Staatenverbindung sich gründet, kann dem Völker- 
recht oder dem Staatsrecht angehören, und unterscheidet man demgemäß vökerrechtliche und 
staatsrechtliche Staatenverbindungen. 
1. Die völkerrechtliche Verbindungsweeise zeigt die Staaten im Zu- 
stande vertragsförmiger, letzten Endes auf dem selbsteigenen Willen der Gebundenen be- 
ruhender Bindung; das Völkerrecht und nur das Völkerrecht bestimmt Art und Maß der 
Bindung. Anders die staatsrechtlichen Verbindungen. „Verbindung“ bedeutet hier Ver- 
stricung in ein Unterwerfungsverhältnis, Subijiektion einer Staatsgewalt unter 
die andere, Beherrschung der ersteren durch die letztere; die Pflichten des untergeordneten 
Staates beruhen nicht auf internationaler Vertragstreue, sondern auf dem Willen des Herrn. 
Die völkerrechtlichen Staatenverbindungen lassen sich in drei Gruppen einteilen: ein- 
seitige Abhängigkeitsverhältnisse, Gemeinschaften, Gesell- 
schaften. 
Die erste Gruppe zeigt als vorherrschendes Prinzip die Ungleichberechtigung der ver- 
bundenen Staaten: ein Staat oder eine Mehrheit von solchen hat sich in Abhängigkeit von einem 
anderen Staate begeben. Das Prototyp dieser Art von Staatenverbindungen ist das Protektorat 
oder die Schutzherrschaft (siehe die Darstellung des Völkerrechts). Dagegen beruhen die Gemein- 
schafts- und Gesellschaftsverhältnisse auf Gleichberechtigung der Verbundenen. Die privat- 
rechtlichen Analogien dieser völkerrechtlichen Verbindungstypen sind die communio (BGB.: 
„Gemeinschaft") einerseits, die societas („Gesellschaft“) andererseits, und kann man dem- 
entsprechend hier auch von Staatenkommunionen und Staatensozietäten reden. 
Eine Staatenkommunion ist gegeben, wenn mehrere Staaten ein Organ oder 
irgendeine andere, den Staatszwecken dienende Einrichtung gemeinsam haben. Hierher gehören 
Verhältnisse wie z. B. die Gemeinsamkeit des Oberlandesgerichts unter den thüringischen 
Kleinstaaten, den Hansestädten, die gemeinsame Ständeversammlung der beiden Großherzog= 
tümer Mecklenburg, vor allem aber die durch Gemeinschaft des monarchischen Staatsober- 
hauptes charakterisierten „Unionen". Man unterscheidet üblicherweise den Fall der Per- 
sonal= von dem der Realunion. In beiden Fällen erscheint eine und dieselbe Person 
als Monarch zweier oder mehrerer Staaten, welche insoweit also „uniert“ sind, während eine 
weitere Organ= oder sonstige Rechtsgemeinschaft zwischen ihnen nicht begriffswesentlich ist.
	        
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