Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 181 
tigungsrecht des Reichs, von dessen normaler Gestaltung — oben S. 73 — es sich 
dadurch unterscheidet, daß unter Ausschaltung jeglicher Kompetenz des Bundesrates dem 
Kaiser nicht nur das Uberwachungsrecht, sondern auch das Recht zusteht, vorgefundene Mängel 
festzustellen und ihre Abstellung anzuordnen (bayerisches Sonderrecht: Vertrag vom 23. No- 
vember 1870, III & 5 zu III Abs. 4). 
III. Entzogen endlich ist den Einzelstaaten als solchen die Tragung der Kosten 
und Lasten des Heereswesens sowie die Feststellung der Stärke des 
deutschen Heeres und aller seiner Gliederungen im Frieden und 
im Kriege. 
Damit gelangt das Bild der dem Reiche zustehenden Militärhoheitsrechte zum Abschluß. 
Die gewaltige Militärlast an Gut und Blut, der Finanzbedarf des Gesamtheeres 
und die Stellung der zur Erhaltung der gesetzmäßigen Stärke desselben erforderlichen Mann- 
schaften ist nicht eine Last, welche jeder Einzelstaat von sich aus für sich und sein Kontingent 
aufbringt, nicht eine Sonderlast der Länder, vielmehr eine Gemeinlast des Reichs 
und des ganzen deutschen Volkes. Die Kosten und Lasten des Kriegswesens sind nationa- 
lisiert, so zwar, daß der Finanzbedarf der Heeresverwaltung vom Reiche aufgebracht und 
bestritten wird, während die übrigen Lasten, der Heeresdienst und die „Militärlasten“ im engeren 
Sinne (Einquartierungslast, Lieferungspflichten usw.), durch Reichsgesetze nach Maßgabe der 
NV. Art. 57, 58 geregelt und verteilt sind. 
1. Die Ubernahme der Heereslast als Finanzlast durch das Reich kommt vor allem in 
den beiden wichtigen Sätzen zum Ausdruck, daß die Feststellung der für das Heereswesen er- 
forderlichen Einnahmen und Ausgaben Reichsangelegenheit ist: der Militäretat ist 
Reichsetat (RV. Art. 69, s. unten §& II 47, Landesangelegenheit ist lediglich in Bayern 
die Aufstellung der Spezialetats, s. Vertrag vom 23. November 1870 III & 5 zu Il), und daß 
das gesamte bewegliche und unbewegliche Inventar der Heeresverwaltung Reichseigen- 
tum, daß der Militärfiskus (mit alleiniger Ausnahme Bayerns) nicht Landes-, 
sondern Reichsfiskus ist (dies folgt aus dem RG. über die Rechtsverhältnisse der 
zum dienstlichen Gebrauch einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände vom 25. Mai 1873, 
R l. S. 113). Die Militäwerwaltung ist und bleibt auch in dieser ihrer finanziellen und 
vermögensrechtlichen Seite subjektiv Landes verwaltung, aber eine Landesverwaltung auf 
Reichskosten und mit reichseigenen Gegenständen, ohne Ersparnismöglichkeit zugunsten der 
Einzelstaaten (RV. Art. 67), einer Verwaltung nach den Etatspositionen und unter der Rech- 
nungskontrolle des Reichs (Prüfung aller Rechnungen der Militärkassen durch den Reichs- 
rechnungshof, s. unten § 47 III, Verantwortlichkeit des Reichskanzlers nach RV. Art. 72). 
2. Friedenspräsenzstärke und Ersatzbedarf. — Der Ersatzbedarf ist die Zahl von 
Heeresdienstpflichtigen, deren Einstellung alljährlich erforderlich ist, um den Präsenzstand 
aller Kontingente und Kadres der Friedensformation zu erreichen und aufrechtzuerhalten. 
Beides, Ersatzbedarf wie Präsenzstand, wird von der Reichsgewalt, und zwar vom Kaiser 
festgestellt (Präsen zstand, RV. Art. 63 Abs. 4, s. oben S. 180, Ersatzbedarf s. RG. betr. die 
Ersatzverteilung vom 26. Mai 1893, RBl. S. 185: Verteilung des Gesamtbedarfs durch die 
Kriegsministerien auf die Armeekorpsbezirke, nicht auf die „Bundesstaaten“", wie RV. Art. 60 
will), und zwar festgestellt innerhalb der Grenzen der durch Reichsgesetz (RV. Art. 60) 
zu beziffenden Friedenspräsenzstärke. „Friedenspräsenzstärke“ ist die Gesamtzahl 
der im Frieden dauernd bei den Fahnen versammelten Mannschaften (ohne Einjährig-Frei- 
willige). Die Festlegung dieser Ziffer aufunbestimmte Dauer (sog. „Aternat"“) ist durch 
die RV., Art. 60, nicht gefordert, auch nicht üblich, sie erfolgte früher auf jeweils 7 Jahre („Sep- 
tennat"), seit 1893 auf 5 („Quinquennat"). Das Gesetz über die Friedenspräsenzstärke des 
deutschen Heeres vom 27. März 1911 (RE#Bl. 99) hatte bestimmt, daß die Präsenzstärke „als 
Jahresdurchschnittsstärke allmählich derart erhöht wird, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 
1915 die Zahl von 515 321 Gemeinen, Gefreiten und Obergefreiten erreicht und in dieser Höhe 
bis zum 31. März 1916 bestehen bleibt“. In der Folge ist dann aber diese Ziffer erhöht worden: 
durch das Gesetz vom 14. Juni 1912 (RGBl. 389) auf 544 211, und durch Gesetz vom 3. Juli 
1913 (RGBl. 496) auf 661 478. —
	        
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