Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 183 
8 47. Der Staatshaushalt. 
„Staatshaushalt“, „Finanzwesen“, „Finanzwirtschaft“ sind gleichbedeutende Ausdrücke. 
Sie bezeichnen den Inbegriff der Staatstätigkeiten, welche die Beschaffung, Verwaltung, Verwen- 
dung des zur Erfüllung der Staatszwecke erforderlichen Geldbedarfs zum Gegenstande haben. 
Eshandelt sich hierbei nicht notwendig überall um obrigkeitliche, befehlende Tätigkeiten, um Hand- 
habung der Staats gewalt (s. oben S. 18). Die ausgebende Funktion der Haushalts- 
führung ist sogar niemals Finanzgewalt: Bezahlen ist nicht herrschen. Aber auch die andere, die 
vereinnahmende Kätigkeit ist nicht durchweg obrigkeitlich, herrschaftlich geartet, sondern 
nur eines Teiles; sie zerfällt in eine obrigkeitliche, öffentlich-rechtlich geordnete Sphäre (Sphäre 
der Finanzgewalt) und in eine privatwirtschaftlich-privatrechtliche Sphäre, identisch mit der Eigen- 
schaft und Gebahrung des Staates als Fiskus. — 
I. Die Einnahmen. — Eine Einteilung der Einnahmen des Staates (als Einzelstaat und 
Reich) ist nach verschiedenen Gesichtspunkten möglich. Sttaasrechtlich wie finanzpolitisch bedeut- 
sam ist zunächst die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen 
oder, was dasselbe besagt, dauernden und einmaligen Einnahmen. Ordentliche (dauernde) 
Einnahmen sind solche, welche im Gange der Staatswirtschaft regelmäßig, periodisch (einerlei, ob 
mit feststehenden oder schwankenden Beträgen) wiederkehren, außerordentliche (einmalige) solche, 
bei denen dies nicht der Fall ist. Es versteht sich, daß man in gleichartiger Weise auch bei den Aus- 
gaben des Staates unterscheiden kann. 
1. Die ordentlichen Einnahmen im Landes= und Reichshaushalt gliedern sich 
weiterhin nach dem oben hervorgehobenen trennenden Gesichtspunkt in privatrechtlich-fiskalische 
und öffentlichrechtliche Einnahmen. 
a) Die Hauptgruppe der privatrechtlich-fiskalischen Einnahmen wird gebildet durch die Er- 
trägnisse des Staatsvermögens. Das Staatsvermögen (Staatsgut) kommt hier 
wesentlich in denjenigen seiner Bestandteile in Betracht, die man als „Finanzvermögen“ 
(werbendes Vermögen) zusammenfassend zu bezeichnen pflegt: es ist dies der Inbegriff der Sach- 
güter des Staates, welche von vornherein dazu bestimmt sind, als Einnahmequelle zu dienen, 
einen dauernden Reinertrag abzuwerfen, im Gegensatz zu anderen staatlichen Vermögensmassen, 
die als sogenannte Verwaltungsvermögenihren Zweck lediglich darin finden, im Dienste 
des Staates verwendet, gebraucht und verbraucht zu werden. — Typische Einzelmassen des Finanz- 
vermögens sind in den Ländern: die Domänen, einschließlich der Staatsforsten ((. 
oben 3 31), in staatlichem Besitz befindliche Bergwerke und Salinen, verschiedenartige 
Gewerbebetriebe des Fiskus, vor allem — für die besitzenden Einzelstaaten ein Vermögensstück 
von größter finanzieller Bedeutung — die Staatseisenbahnen 1. Auch das Reich be- 
sitzt Finanzvermögen in beträchtlichem Umfange: die Reichspost und ztelegraphie, die Reichseisen- 
bahnen (in Elsaß-Lothringen), die Reichsdruckerei u. a. m. 
b) Unter öffentlich-rechtlichen Einnahmen werden hier solche verstanden, 
welche dem Staate nicht, wie die unter a) angeführten Einkünfte aus privatwirtschaftlicher Ver- 
mögensgebarung und Erwerbstätigkeit, aus Rechtsgeschäften des Privatrechts, sondern auf Grund 
öffentlich-rechtlicher Titel zufließen. Sie weisen zwei unter sich sehr verschiedene Gruppen auf: 
die kraft der Finanzgewalt auferlegten Zwangsbeiträge der Untertanen zu dem Ausgabenbedarf 
von Reich und Land (Steuern im weiteren Sinne oder Abgaben) sodann die Dotationen 
(Überweisungen), welche die Einzelstaaten aus Reichsmitteln erhalten. 
Die Abgaben haben teils den Charakter von Gebühren — sofermn sie im Einzelfalle als 
Entgelt für bestimmte Gegenleistungen des Staates: Handlungen staatlicher Organe, Gestattung 
der Benutzung von Staatsanstalten, erhoben werden? —, teils von Steuern im engeren und 
„ Die Einnahmen aus den preußischen Staatseisenbahnen sind im Etat für 1903 auf 
2 504 516 000 Mark (Gesamtbetrag der Staatseinnahmen 4 595 736 227 Mark), die Ausgaben 
für W“ auf 1 708 261 000 Mark veranschlagt, so daß sich der Reinertrag auf 796 255 000 Mark 
beläuft. 
Man beachte, daß nicht alle Gebühren notwendigerweise dem öffentlichen Recht ange- 
hören. Außer den hier in Rede stehenden, durch Normen und Akte des öffentlichen Rechts auf-
	        
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