Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 185 
Regierung ohne Zustimmung der Volksvertretung bewirkte außerordentliche Einnahmen ver- 
wenden, verausgaben darf). 
Was zunächst die Veräußerung von Staatseigentum betrifft, so erscheinen die Vollmachten 
der Regierung positivrechtlich am engsten beschränkt im Reiche. Hier ist nämlich die Vornahme 
von Veräußerungsgeschäften ganz allgemein an die Zustimmung des Bundesrates und Reichstags 
geknüpft (RG. über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauch einer Reichsverwaltung 
bestimmten Gegenstände vom 25. Mai 1873, 5 10 Satz 21). Weiter reichen die Befugnisse der 
Regierung (Finanzverwaltung) in den Mittelstaaten, deren Verfassungen (vgl. Bayern Tit. VII 
§ 18, Württemberg § 107, Sachsen § 18, Baden § 58) die landständische Zustimmung nur für 
den Verkauf (auch wohl die Verpfändung) von Domänen in den historischen Sinne dieses 
Wortes (oben § 31) fordern, besonders aber in Preußen, wo mangels ausdrücklicher, eine Kom- 
petenz des Landtages begründender Bestimmungen die Regierung privatrechtlich wie konstitutionell 
(dritten Privatpersonen wie dem Landtage gegenüber) legitimiert ist, Vermögensveräußerungen 
aller Art (auch Domänenverkäufe) selbständig im Verwaltungswege zu bewirkens, mit alleiniger 
Ausnahme der Veräußerungen von Staatseisenbahnen (hier Zustimmung des Landtages auf 
Grund der die Verstaatlichung der Privatbahnen verfügenden Spezialgesetze erforderlich). 
Die Inanspruchnahme des Staatskredits erheischt die vorgängige Zustimmung der Volks- 
vertretung nach den übereinstimmenden Grundsätzen des Reichs- und Landesstaatsrechts nur 
— dann aber auch unbedingt und unter allen Umständen —, wenn die Geldbeschaffung in der 
Rechts= und wirtschaftlichen Form der Aufnahme einer Anleihe vorgenommen werden will 
RV. Art. 73, preuß. Vll. Art. 103, bayr. VU. Tit. VII § 11, 12, württ. VU. § 107 usw. — Wie bei 
bei der Aufnahme, so pflegt die Regierung auch bei der Verwaltung der Anleihe (Ausgabe der 
Schuldverschreibungen, Führung des Verzinsungs= und Tilgungsgeschäfts) durch die Beteiligung 
der Volksvertretung beschränkt zu sein. In manchen Einzelstaaten ist die Verwaltung der Staats- 
schulden (d. h. der Anleiheschulden) sogar dem Landtage bezw. von diesem zu besetzenden Stellen 
grundsätzlich übertragen und die Regierung lediglich mit der Beaufssichtigung dieser Verwaltung 
betraut (so in Württemberg und Sachsen), während in Preußen und Bayern der Regierung die 
Verwaltung des Staatsschuldenwesens zusteht unter Aufsicht und Kontrolle von Behörden, 
deren Mitglieder vom Landtag ernannt werden (verwaltende Stelle in Preußen ist die Kgl. Haupt- 
verwaltung der Staatsschulden, kontrollierende Instanz die Staatsschuldenkommission, welche 
außer dem Präsidenten der Oberrechnungskammer aus sechs Mitgliedern besteht, die je zur Hälfte 
von jedem der beiden Häuser des Landtages gewählt werden). Die Verwaltung der Reichsschulden 
ist der preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden unter der Bezeichnung „Reichsschulden- 
verwaltung“, die Aufsicht über die Verwaltung der „Reichsschuldenkommission" übertragen, welche 
letztere aus sechs Bevollmächtigten zum Bundesrat, sechs Mitgliedern des Reichstages und dem 
Präsidenten der preußischen Oberrechnungskammer in seiner Eigenschaft als Präsident des Reichs- 
Rechnungshofes (unten III) besteht (vgl. Reichsschuldenordnung vom 19. März 1900 F§ 9 ff). 
II. Das Budgetrecht 3. — Mit den gleichbedeutenden Worten Budget (über die 
sprachliche Herkunft dieses Ausdruckes siehe den Artikel „Budget“ im Handwörterbuch der 
Staatswissenschaften), Staatshaushaltsetat, Hauptfinanzetat, auch kurzweg „Etat“, be- 
Bgl. Laband 4 492; Derselbe in der Jur. Wochenschr. 39 915 ff.; Arndt, 
Reichsstaatsrecht 407, 408; Anschütz in der Jur. Wochenschr. 39 988 ff. 990 ff. Die Genehmigung 
der gesetzgebenden Faktoren ist nur zu der staatsrechtlichen Zulässigkeit, nicht zur privatrechtlichen 
Gültigkeit des Beräußerungsgeschäfts erforderlich: so Anschütz und Arndt gegen Laband 
a. a. O. 
" Laband, Das Bupdgetrecht nach den Bestimmungen der preuß. Verfrk. (1871), 26 ff.; 
Anschütz, Jur. Wochenschr. a. a. O. 990, 991. 
* Die reichhaltige Literatur über Budgetrecht ist, soweit allgemeinen und reichsrechtlichen 
Inhalts, angegeben bei Laband 4 481, 532 ff., welcher das Budgetrecht des Reichs eingehend 
darstellt. Vgl. auch Arndt, Reichsstaatsrecht 318 ff. Partikularrechtliche Darstellungen: 
Laband, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der preuß. Verfrk. (1871); Arndt, 
Komm. z. preuß. Verf Urk. (7. Aufl.) S. 325 ff.; Schwartz, Komm. S. 290 ff.; v. Seydel, 
Bayer. Staatsr. 2 535 ff.; O. Mayer, sächs. Staatsr. 193 ff.; v. Sarwey, Württemb. 
Staatsr. 2 504 ff.; G 53, Württemb. Staatsr. S. 256 ff.:; Lvan Calker, Das badische Budget- 
recht (I. Teil 1901). Die kürzeste und beste allgemeine Darstellung des Budgetrechts ist 
von Jellinek, Art. Budgetrecht im Handwörterb. d. Staatswissenschaften.
	        
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