Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

200 Paul Schoen. 
V. „Verwaltungsrecht“ ist dem einfachen Wortsinne nach alles Recht, das sich 
auf die Verwaltung bezieht, ohne Rücksicht darauf, ob es dem öffentlich= oder dem privatrecht- 
lichen Gebiete angehört. Die Rechtswissenschaft versteht unter Verwaltungsrecht jedoch nur 
den Inbegriff der öffentlich-rechtlichen Normen, die die Ver- 
waltung zu ihrem Gegenstande haben, d. h. bestimmen, wie und in welchem 
Umfange der Staat mit seiner verwaltenden Tätigkeit auf Personen und Vermögen der ihm 
untergeordneten Rechtssubjekte einwirken darf, und damit auch Rechte und Pflichten dieser 
dem verwaltenden Staate gegenüber konstatieren kann. Ob das Verwaltungsrecht sich auch 
mit der Verwaltungsorganisation, der Ordnung der Träger der Verwaltungs- 
befugnisse, ihrer Gestaltung, Bestellung und Zuständigkeit, zu befassen habe, ist neuerdings wieder- 
holt erörtert worden (Mayer 1, 14; Spiegel 59). Als ruhende Ordnung fällt die Organisation 
der Behörden und öffentlichen Verbände jedenfalls nicht unter den Begriff Verwaltung, denn 
Verwaltung ist Tätigkeit, sondern sie erscheint als ein Ausbau der Staatsverfassung, die selbst 
nur die obersten Organe setzt (oben S. 195), und wird daher, systematisch durchaus richtig, in 
modernen Lehrbüchern des „Staatsrechts“ im Rahmen des Verfassungsrechts dargestellt. Allein 
vorübergehen darf an ihr doch auch nicht das Verwaltungsrecht. Zwischen der Tätigkeit der 
Staatsbehörden und öffentlichen Verbände, die die Verwaltung ausmacht, und der Organisation 
dieser besteht in weitem Umfange ein enger Zusammenhang. Zunächst schon der rein äußer- 
liche, daß die Verwaltungsorganisation durch Verwaltungstätigkeit realisiert und erhalten wird. 
Sodann hängt aber von der Organisation der Behörde auch in weitem Umfange die Art der 
Behandlung der ihr zugewiesenen Aufgaben ab, und die einzelne Verwaltungstätigkeit kann 
daher voll und ganz nur erfaßt werden, wenn man die Gestaltung ihres Ausgangspunktes vor 
Augen hat. Daher ist es nur zu billigen, daß in selbständigen Lehrbüchern des „Verwaltungs- 
rechts“ bislang meistens auch die Verwaltungsorganisation berücksichtigt worden ist. Wenn 
sie in dieser Enzyklopädie jedoch im Verwaltungsrechte zur Darstellung gelangt, so geschieht es 
nicht deshalb, weil der Verfasser dieses Abschnittes diesen Platz systematisch für den geeignetsten 
hält, sondern weil die althergebrachte Stoffeinteilung des Gesamtwerkes ihn dem Organisatiöns- 
rechte zugewiesen hat. 
Das heute in Deutschland geltende Verwaltungsrecht ist zum Teil Reichsrecht, zum Teil 
Landesrecht. Nur jenes ist deutsches Verwaltungsrecht im Sinne eines im ganzen 
deutschen Reiche geltenden Rechtes. Allein die Wissenschaft hat dem Ausdrucke „deutsches 
Verwaltungsrecht“ noch einen anderen, weiteren Sinn beigelegt, in dem er auch in der Über- 
schrift dieses Teiles der vorliegenden Enzyklopädie gebraucht ist. Das in den Einzelstaaten 
geltende partikulare Verwaltungsrecht weist in seinen Einzelheiten zahlreiche Verschieden- 
heiten auf, die leitenden Rechtsgedanken sind aber in weitem Umfange dieselben. Die Gleich- 
artigkeit der Lebensverhältnisse und der Staatsentwicklung hat in den deutschen Einzelstaaten 
„eine gleiche Rechtsüberzeugung von den Kulturaufgaben, die der Staat zu erfüllen hat, von 
dem Verhältnis des Staates zu den einzelnen und der persönlichen Freiheit, von den Mitteln, 
welche der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben anzuwenden hat“, gezeitigt, und diese gleiche 
Rechtsüberzeugung hat wieder zu, in ihren Grundlagen wenigstens, gleichen Rechtsinstituten 
geführt. Im Hinblicke auf diese Rechtsgestaltung ist der weitere Begriff „deutsches Verwaltungs- 
recht“ geprägt. Er will nur aussagen, daß es eine Reihe verwaltungsrechtlicher Rechtsgedanken 
gibt, die uns in den Rechtsinstituten aller oder doch der meisten deutschen Staaten entgegen- 
treten. Diese aber aufzufinden und wissenschaftlich zu durchleuchten, gilt dann als die Aufgabe 
der „Wissenschaft des deutschen Verwaltungsrechts“. 
§ 2. Die Arten der Verwaltung. 
Literatur: Loening § 7; v. Stengel & 1, V,. VI; Meyer-Anschütz 346 ff.; 
O. Mayer §5 55; Fleiner § 6; Schoen, Das Recht der Kommunalverbände i. Preußen, 
Leipzig 1897, 5# 1, 2. 
I. Staatsverwaltung, Selbstverwaltung, Kommunalver- 
waltung.
	        
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