Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 203 
organisierte Verbände, wie z. B. die nach der Gew.O. 7 104 gebildeten Innungsverbände und 
nach § 128 der pr. Landgem.O. v. 3. 7. 1891 gebildeten Verbände von Landgemeinden 
(Pr. O. E. 51, 253.) sind mit öffentlicher Verwaltung betraut. Der Natur der Sache nach 
können auch Einzelpersonen mit Selbstverwaltung in dem hier in Rede stehenden Sinne be- 
auftragt werden; allein es ist dies doch nur ausnahmsweise in Preußen und im Königreich 
Sachsen geschehen, wo die Besitzer selbständiger Gutsbezirke in diesen die Rechte und Pflichten einer 
Gemeinde zu erfüllen haben (s. unten S. 249 9 17). Esherrscht eben bei uns, wie man sich ausdrückt, 
das Prinzip der korporativen Selbstverwaltung. Die vorgenannten Träger der Selbstverwaltung 
nehmen die ihnen überwiesenen Geschäfte durch ihre Organe wahr, die sie selbst nach Maßgabe 
der Gesetze bestellen. Ob die von ihnen angestellten Beamten im Ehrenamte oder im besoldeten 
Berufsamte angestellt sind, ist für die Qualifikakion der von diesen entwickelten Amtstätigkeit 
gleichgültig; die von einem besoldeten, auf Lebenszeit angestellten Bürgermeister geführte Ver- 
waltung ist ebenso Selbstverwaltung wie die, welche ein unbesoldeter, auf sechs Jahre ge- 
wählter Stadtrat ausübt. Den Gegensatz zu dieser Selbstverwaltung bildet nicht die Ver- 
waltung durch besoldete Berufsbeamte, sondern die durch staatliche Behörden, die in der 
preußischen Gesetzgebung als „allgemeine Landesverwaltung“ bezeichnet (Schoen 
im Preuß. Verw. Bl. 1904, 270) und, speziell im Gegensatze zur Selbstverwaltung in dem hier 
in Rede stehenden Sinne, auch als unmittelbare Staatsverwaltung sieichtig 
charakterisiert wird. 
Die Gegenstände dieser Selbstverwaltung sind lediglich Staats- 
geschäfte, Angelegenheiten, die der Staat besorgen müßte, wenn er sie nicht den Selbstver- 
waltungskörpern zur selbständigen Erledigung überwiesen hätte. Beruht diese ganze Selbst- 
verwaltung darauf, daß der Staat sich selbst in seiner Tätigkeit beschränkt, daß er bei gewissen 
Verwaltungszweigen davon Abstand nimmt, seinen Regierungsapparat in Bewegung zu setzen, 
und nur die allgemeinen Normen der Verwaltung ausfstellt, deren freie Handhabung aber ihm 
untergeordneten Verbänden überläßt, so folgt schon hieraus, daß die Funktionen dieser Verbände 
einen rein staatlichen Charakter haben. Ihre Tätigkeit erschöpft sich darum aber nicht in der Aus- 
übung delegierter staatlicher Hoheitsrechte. Wie zur unmittelbaren Staatsverwaltung neben 
der Ausübung von Herrschaftsrechten zur Erfüllung der Staatszwecke eine umfassende Tätigkeit 
auf rein wirtschaftlichem Gebiete gehört, so ist eine solche auch integrierender Bestandteil der 
Selbstverwaltung. Sie umfaßt alles, was erforderlich ist, damit der Selbstverwaltungskörper 
die ihm vom Staate gestellten Aufgaben erfülle, und hierzu gehört vor allem seine wirtschaft- 
liche Erhaltung. Welche Staatsgeschäfte im einzelnen tatsächlich Gegenstände der Selbstver- 
waltung sind, ergibt sich allein aus den positiven Vorschriften des jeweilig geltenden Rechtes. 
Die Abgrenzung von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung richtet sich bald nach der histo- 
rischen Entwickelung eines Rechtsinstitutes, bald nach dem Kulturzustande der Bevölkerung, 
bald nach den zeitigen Anschauungen über die bestmögliche Verwirklichung einer Staatsaufgabe. 
Als allgemeines Merkmal der Staatsaufgaben, die in Selbstverwaltung gegeben werden können, 
läßt sich nur dieses angeben, daß sie „einer individualisierenden und lokalisierenden Behandlung 
fähig und bedürftig sein müssen“; denn alle Selbstverwaltung hat dezentralisierende Wirkung. 
Verwaltungszweige, welche, wie das Heerwesen oder die Gerichtsbarkeit, eine gleichheitliche 
Behandlung im ganzen Staatsgebiete erfordern, können nicht von Gemeinwesen im Staate 
selbständig versehen werden. Sie sind ihrer Natur nach von der Selbstverwaltung ausgeschlossen. 
Diese muf sich im wesentlichen auf die Gebiete der inneren Verwaltung und des Finanzwesens 
beschränken. 
2. Als Kommunalverwaltung bezeichnet man die von den Ortsgemeinden 
und den höheren Kommunalverbänden entwickelte Verwaltungstätigkeit. Da diese aber nach 
dem Vorangehenden nichts anderes ist als Selbstverwaltung in dem zuletzt entwickelten Sinne, 
stellt die Kommunalverwaltung keine für sich dastehende Art der Verwaltung dar. Sie ist nur 
eine Erscheinungsform der Selbstverwaltung, charakterisiert durch ihren Ausgangspunkt. 
3. Eine Verbindung von Staatsverwaltung und Selbstver- 
waltung ist in verschiedener Weise denkbar und realisiert je nach dem, was man unter 
Selbstverwaltung versteht. Selbstverwaltung im Gneistschen Sinne ist mit der Staatsver- 
waltung in der Weise verbunden, daß in kollegialischen Staatsbehörden neben besoldeten
	        
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