204 Paul Schoen.
Berufsbcamten Ehrenbeamte angestellt sind (vgl. oben S. 201/202), ein System, mit dem nicht nur
Beteiligung der Bürger an der öffentlichen Verwaltung, sondern auch laufende Kontrolle der
bureaukratischen Verwaltung durch das Laienelement bezweckt und erreicht wird. Mit der
Selbstverwaltung als der Verwaltung durch Selbstverwaltungskörper ist die (unmittelbare)
Staatsverwaltung bisweilen in der Weise verbunden, daß ein Staatsbeamter nach gesetzlicher
Vorschrift gleichzeitig dem Organe eines Selbstverwaltungskörpers angehört, wie in Preußen
der Landrat Vorsitzender des Kreisausschusses, in Württemberg der Oberamtsvorstand Vor-
sitzender des Bezirksrates ist, — bisweilen auch so, daß der Staat Organe oder einzelne Beamte
eines Selbstverwaltungskörpers mit der Wahrnehmung unmittelbarer Staatsverwaltung betraut,
wie in Preußen den Bürgermeistem (in Hannover den Magistraten) die Verwaltung der nach
preußischem Rechte zu den Angelegenheiten der unmittelbaren Staatsverwaltung gehörigen Orts-
polizei, den Kreisausschüssen die staatliche Kreisverwaltung gesetzlich übertragen ist. Die letzt-
gedachte Art der Verbindung von Staatsverwaltung mit Kommunalverwaltung gewährt dem
Staate den doppelten Vorteil, daß die Sachkenntnis der Selbstverwaltungsorgane ihm unmittelbar
dienstbar gemacht wird und er nicht genötigt ist, besondere Beamte für diese Staatsgeschäfte
zu unterhalten; die Beamten und Organe der Selbstverwaltungskörper aber, welche so mit
der Verrichtung grundsätzlich nicht in Selbstverwaltung gegebener Staatsgeschäfte betraut sind,
treten, soweit sie diese wahrnehmen, in ein unmittelbares Dienstverhältnis zum Staate und
teilen die Rechtslage der Staatsbeamten (besonders auch hinsichtlich der Disziplin) und der
Staatsbehörden.
II. Landesverwaltung, Reichsverwaltung. Zu der Unterscheidung Staats-
verwaltung und Selbstverwaltung im Sinne von Verwaltung durch Selbstverwaltungskörper
tritt für den Bundesstaat noch eine zweite, die gleichfalls auf der Verschiedenheit der Träger der
Verwaltung beruht, die Unterscheidung von Landes- und Reichsverwaltung, die sich daraus
ergibt, daß sowohl die Einzelstaaten wie das Reich Verwaltungstätigkeit entwickeln. Auf diese
ist jedoch hier nicht weiter einzugehen; sie ist im staatsrechtlichen Teile dieser Enzyklopädie
erörtert (ugl. oben S. 70 ff. dieses Bandes).
§ 3. Die Polizei.
Literatur: Loening 2; derselbe, Art. „Polizei“ im Handwörterbuch d. Staats-
wissenschaften (3) 6, 1058; v. Stengel 2; Meyer-Anschütz §5176; O. Mayer 58/8. 18,
19; Fleiner 5#5 23; Rosin, Polizeiverordnungsrecht i. Preußen (2) Berlin 1895; derselbe,
Der Begriff der Polizei u. der Umfang des polizeilichen Verfügungs= u. Verordnungsrechts in
Preußen, Verwärch. 3, 249; Schilling, Beiträge zur Entwicklung des Polizeibegriffs, das.
2, 474; Bornhak, Das Polizeiverfügungsrecht in Preußen, das. 5, 137, Wolzendorff,
Die Grenzen der Polizeigewalt, Marburg 1906; Schanze, Die Polizei, Fischers Ztschr. f. Praxis u.
Gesetzgebung d. Verw. 35, 89y;Thoma, Der Polizeibefehl im Bad. Recht, 1, Tübingen 1906;
Anschütz, Die Polizei (Vorträge der Gehe-Stiftung 2) 1910.
I. Der Begriff der Polizei in seiner gegenwärtigen Bedeutung hat sich ge-
schichtlich entwickelt und kann daher auch nur geschichtlich erfaßt werden. Das Wort Polizei ist
aus dem französischen police und aus dessen weiterem Ursprungsworte, dem lateinischen politia.
griechisch oker###, entstanden. Politia bedeutete ebenso wie o#ursprünglich Ver-
fassung der Stadt oder des Staates, und ausschließlich in diesem Sinne ist das Wort auch das
ganze Mittelalter hindurch gebraucht worden. Um die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts
wurde ihm jedoch in Frankreich eine andere Bedeutung beigelegt: man bezeichnete mit police
den guten Zustand des Staatswesens, der von der Obrigkeit durch Herstellung von Ordnung,
Wohlfahrt und Sicherheit zu erstreben ist. Und dieser vage, jeder näheren Fassung sich ent-
ziehende Begriff wurde mit dem Worte Polizei dann auch zuerst in Deutschland verbunden,
als es hier am Ende des 15. Jahrhunderts, und zwar zunächst in Anordnungen der städtischen
und staatlichen Obrigkeiten, aufkam. Polizei bedeutete so viel wie guter Zustand des Gemein-
wesens und dann auch die auf die Herstellung dieses Zustandes gerichtete Staatstätigkeit. Als
solche erschien damals aber nicht nur eine bestimmte Art von Staatstätigkeit, wie heute etwa die
Verwaltung, sondern die Staatstätigkeit schlechthin. Alle Tätigkeit der Obrigkeit im Inneren des
Landes, auch die Rechtssetzung und die Justiz, die ganze Regierung (vgl. oben S. 195), fiel unter den